Medien müssen als öffentliches Gut neu erfunden werden. (F.: Pixabay/Congerdesign)

Wie die Medien gerettet werden können

von Alisa Quart

Bei US-Medienhäusern kam es zuletzt massenhaft zu Entlassungen. Welche Wege gibt es, um die Medienbranche aus der Krise zu führen?


1727 wörter
~7 minuten

Alisa Quart ist Geschäftsführerin beim Economic Hardship Reporting Project, einer US-amerikanischen gemeinnützigen Organisation zur Unterstützung freier Journalist:innen, die über soziale Ungleichheit und Fragen der wirtschaftlichen Gerechtigkeit berichten. In ihrem Beitrag erklärt Quart, was es braucht, um ein funktionierendes Medienökosystem zu erhalten: Soforthilfe für Journalist:innen in Notlagen; öffentliche Subventionen für kleinere Nachrichtenmedien; die Umwandlung der Medienbranche in ein öffentlich finanziertes System.

Beim Economic Hardship Reporting Project gingen zuletzt immer mehr und immer öfter Anträge von Journalist:innen auf finanzielle Zuschüsse ein, meist aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage. Die Anträge häufen sich, da die Schließung von Medienhäusern oder Entlassungswellen viele in die Welt der Vollzeit-Freelancer treibt, in der sie gegen wachsende Konkurrenz um sinkende Honorare kämpfen. Im Februar hat auch The Intercept, wo mein Mann Peter Maass zehn Jahre lang gearbeitet hat, fünfzehn seiner Mitarbeiter:innen entlassen – ihn eingeschlossen. Der Notstand in der Medienbranche hat also auch für mich eine persönliche Note bekommen.

Unsere Familie ist nur Teil einer großen Schar an Betroffenen. Sports Illustrated – einst nicht nur prall gefüllt mit Artikeln, sondern auch mit Anzeigen – hat fast die komplette Belegschaft entlassen. Pitchfork, seit langem meine Anlaufstelle für enzyklopädisch anmutende Lobeshymnen oder scharfzüngige Verrisse von Musik, wurde in stark reduzierter Form in GQ integriert – Pitchfork und GQ, das sind zwei Medien von solch unterschiedlichem Charakter, wären sie Schüler in der Highschool, würden sie nie miteinander sprechen. Anfang des Jahres kündigte auch die ehrwürdige Los Angeles Times an, mindestens 115 Mitarbeiter:innen zu entlassen, was mehr als 20 Prozent der Belegschaft entspricht.

In den sozialen Medien machen sich viele Leute Gedanken über die Krise des amerikanischen Journalismus, aber es gibt nur wenige wirklich fruchtbare Diskussionen – und vor allem nur wenige Aufrufe zum Handeln. Kaum jemand hat eine Ahnung, was man angesichts der aktuellen Situation fordern soll, auch wenn klar ist, dass große Veränderungen notwendig sind. Ich möchte drei zentrale Ideen präsentieren: Erstens brauchen wir ein Programm zur kurzfristigen Reform der Medienpolitik. Zweitens ein neues Paradigma für die Medien – eine ehrgeizige längerfristige Umgestaltung der Finanzierung und der Eigentumsverhältnisse. Und drittens eine sofortige Reaktion zur Unterstützung und zur Schadensbegrenzung für Journalist:innen und kleinere Medienunternehmen, die sich in ernsthafter Gefahr befinden.

Bürgermedien und Gutscheine

In erster Linie sollten wir uns an Modellen für sogenannte Bürgermedien orientieren, wie sie der Kommunikationswissenschafter Robert McChesney vorschlägt. In Anlehnung an den »Bürgerhaushalt«, ein Instrument der Bürgerbeteiligung bei Fragen rund um die Verwendung von öffentlichen Geldern, und inspiriert von dem Wirtschaftswissenschafter Dean Baker schlägt McChesney ein kommunales Verfahren vor, bei dem Bürger:innen darüber abstimmen, wie das Medienbudget ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde verwendet werden soll. McChesney schlägt ein Gutscheinprogramm für Nachrichtenmedien – den »Citizenship News Voucher« – vor, das, wie er 2010 schrieb, dazu führen würde, dass »jeder erwachsene Amerikaner einen Gutschein über 200 Dollar erhält, mit dem er staatliche Gelder an ein gemeinnütziges Nachrichtenmedium seiner Wahl spenden kann. Er wird seine Wahl bei seiner Steuererklärung angeben. (…) Es könnte eine Regierungsbehörde (…) eingerichtet werden, um die Mittel zuzuteilen und die Anspruchsberechtigung zu bestimmen.«

Könnte eine solche Idee tatsächlich umgesetzt werden? Es gibt jedenfalls erste Ansätze. In Washington, D.C., hat man begonnen, einen Plan für die Einführung von Mediengutscheinen zu prüfen, nachdem ein Stadtrat einen Gesetzentwurf eingebracht hatte, dem zufolge den Einwohner:innen staatlich finanzierte Gutscheine angeboten werden, die sie an lokale journalistische Einrichtungen ihrer Wahl spenden können.

Unterdessen experimentieren New Jersey und Kalifornien mit einem Mediensubventionsmodell. Im Jahr 2022 reagierte der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom auf den Zusammenbruch der Lokalnachrichten, indem er das Gesetz 179 der kalifornischen Versammlung unterzeichnete, das 25 Millionen Dollar für die Lokalberichterstattung in unterrepräsentierten Orten bereitstellt. Eine Politik, die den Zusammenbruch unserer Medieninfrastruktur aufhält, ist also nicht nur möglich, sondern bereits im Gange. Und das ist auch notwendig, denn Lösungen sind jetzt besonders dringend. Im Jahr 2023 stieg die Zahl der Schließungen von Lokalzeitungen auf im Durchschnitt beängstigende 2,5 pro Woche. Mehr als 200 Bezirke – fast immer solche, in denen hauptsächlich Arbeiter:innen und arme Menschen leben – sind heute »Nachrichtenwüsten«, in denen die Menschen nicht mehr wissen, was in ihren Rathäusern oder Gerichten passiert.

Gemeinnützigkeit

Eine kurzfristige politische Reform ist natürlich nur der Anfang. Um ein gerechtes und nachhaltiges Medienökosystem zu schaffen, sollten wir unsere Einstellung zu und unser Verständnis von Medien ändern. Gemeinnützige Medien müssen die Norm werden, nicht die Ausnahme bleiben. Medien sind schließlich auch eine Form der Bildung.

Wir sollten zum Beispiel eine Rückkehr zum Modell der Works Progress Administration (WPA) von 1935 in Erwägung ziehen: Im Rahmen des New Deal als Antwort auf die Große Depression wurden damals 6600 Reporter:innen mit staatlicher Unterstützung ins Feld geschickt, um über das Leben einiger der ärmsten Amerikaner:innen zu berichten. Unsere Organisation, das Economic Hardship Reporting Project, ist daran angelehnt – bekommt allerdings keine öffentliche Finanzierung, da es keine Programme im Stil der WPA mehr gibt. Wir unterstützen Hunderte von Journalist:innen, von denen viele in finanziellen Schwierigkeiten stecken, damit sie über ihre Erfahrungen und Gemeinden berichten und diese Berichte dann landesweit veröffentlichen können. Aber wir haben nur vier Mitarbeiter:innen, und es handelt sich um eine gemeinnützige Organisation, für die wir jedes Jahr Geld sammeln. Die Regierung müsste eine Organisation nach unserem Beispiel aufbauen, allerdings in viel größerem Maßstab.

Kürzlich sprach ich mit dem Medienwissenschafter Victor Pickard von der University of Pennsylvania, der mir mit auf den Weg gab: »Kapitalismus und Journalismus waren schon immer ein Paar, das sich in der Hölle gefunden hat.« Er meint damit, dass wir akzeptieren müssen, dass die Probleme, die wir jetzt sehen, einem marktgesteuerten Mediensystem inhärent sind. Pickard verortet den Anfang vom Ende der Branche in den 90er-Jahren – den 1890er-Jahren! Damals wurde der sensationslüsterne »Boulevardjournalismus« durch das Modell der »objektiven« Nachrichten ersetzt; dieser neue Journalismus fand allerdings nur unter der Kontrolle der Konzerne statt und diente deren Profit. Während manche die Zeit romantisieren, als Zeitungsreporter noch Arbeiter waren, die mit Tinte bekleckert waren, keinen Hochschulabschluss hatten und in der gleichen farbenfrohen Sprache wie ihre Auskunftgeber sprachen, gehörten die Nachrichtenmedien in Wahrheit den sprichwörtlichen Citizen Kanes und nicht den Leuten, die die Texte setzten.

Medienhistoriker wie Pickard stellen fest, dass der freie Markt bereits vor einem Jahrhundert Schwierigkeiten hatte, den Journalismus in einer demokratischen Gesellschaft zu unterstützen. Sicher, in den letzten zehn oder fünfzehn Jahren hat sich dieses Marktversagen angesichts der gesunkenen Werbeeinnahmen beschleunigt. Aber das ist nur die Fortsetzung eines weitaus länger bestehenden Musters. Wir müssen daher eine Alternative in Betracht ziehen: ein unabhängiges öffentliches Mediensystem – »öffentlich« bedeutet, dass wir es durch Steuern finanzieren, und »unabhängig« bedeutet, dass es nicht nur ein Sprachrohr der Regierung ist. In einem Artikel für Jacobin im Jahr 2020 beschreibt Pickard seine Vision, wie dieses nichtmarktwirtschaftliche Mediensystem aussehen könnte. »Unser Ziel muss es sein, die Nachrichtenmedien neu zu erfinden, nicht alte kommerzielle Modelle zu stützen«, schrieb er. »Wenn wir die Chance haben, den Journalismus von Profitinteressen zu befreien, können wir ein öffentliches Gut zurückgewinnen und neu erfinden.«

Gegenseitige Hilfe und Kooperativen

Was auch immer in den kommenden Jahren und Jahrzehnten geschieht, wir müssen uns auch für die dritte Idee hinsichtlich der anstehenden Veränderungen engagieren: unmittelbare Schadensbegrenzung, um Journalist:innen zu helfen, deren Job und Existenz in der Krise gefährdet sind. Journalist:innen sind stolz auf ihre Arbeit, doch 72 Prozent verwenden Wörter wie »Chaos« und »Kampf«, um die Branche zu beschreiben.

Ein Heilmittel sind neue Formen gegenseitiger Hilfe und von Kooperativen. Ein Beispiel rief die 32-jährige Emily Dugdale ins Leben, die als gewerkschaftliche Vertrauensfrau beim lokalen NPR-Sender in Los Angeles tätig war. Als sie von den Entlassungen bei der Los Angeles Times erfuhr, reagierte Dugdale, indem sie, »ein LA-Netzwerk für gegenseitige Hilfe für entlassene Journalist:innen aufbaute«, wie sie es bei X formulierte. Das Projekt besteht aus »einmaligen kleineren Finanzzuschüssen, Möglichkeiten für entlassene Reporter:innen, Kontakte zu knüpfen, und Möglichkeiten, ihre Lebensläufe zu teilen«, so Dugdale.

Gegenseitige Hilfe war schon während der Pandemie ein wichtiges Instrument, eine von den Bürger:innen getragene Strategie, die vielen, die von ihren Regierungen im Stich gelassen worden waren, Trost, Nahrung und manchmal auch Geld bot. In meinem letzten Buch habe ich Strukturen wie die gegenseitige Hilfe als Teil des »dystopischen sozialen Sicherheitsnetzes« bezeichnet und argumentiert, dass diese Selbsthilfesysteme eigentlich nicht gebraucht, aber dennoch gefördert und unterstützt werden sollten, weil sie notwendig sind. Der Bedarf ist heute offensichtlich. Im Jahr 2023 ist der Verlust an Arbeitsplätzen in den Medien um 50 Prozent gestiegen. Die verbleibenden Arbeitnehmer:innen sind mit stagnierenden Löhnen bei steigenden Lebenshaltungskosten konfrontiert. Journalist:innen, vor allem solche aus der Arbeiterklasse mit wenig Ersparnissen, können es sich nicht leisten, Teil der Branche zu sein. Medienschaffende brauchen also Unterstützung, zu ihrem und unserem Nutzen.

Journalistenkooperativen sind eine weitere Form der Schadensbegrenzung. Anfang des Jahres trat eine solche Genossenschaft auf den Plan: Flaming Hydra, eine Publikation, die von ihren eigenen Autor:innen betrieben wird, die die Rechte an ihren Werken dauerhaft behalten werden. »Die Schrecken des modernen Verlagswesens fressen das öffentliche Gemeingut jeden Tag auf«, erklärte die Genossenschaft. Flaming Hydra experimentiert mit einem neuen Modell, bei dem es »keine Eigentümer, keine Investoren und keine Werbekunden« gibt. Fast 1000 Menschen haben 41.000 Dollar zugesagt, um das Kollektiv aus sechzig Journalist:innen, Schriftsteller:innen und Künstler:innen zu unterstützen.

Als Dugdale vor ein paar Monaten mithilfe anderer Journalist:innen offiziell das »LA Journalists’ Mutual Aid Network« ins Leben rief, sammelten sie sofort 3000 Dollar für jeden und jede, der oder die bei der Los Angeles Times entlassen worden war. Schnell hatten sich mehrere Dutzend Personen gemeldet, um Unterstützung anzubieten. Auf die Frage, warum sie sich die Mühe gemacht habe, antwortete Dugdale schlicht: »Die Menschen brauchen das.«

Meine Organisation – und jetzt auch meine Familie – kennt diese Realität nur zu gut.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Jacobin. Aus dem Englischen übertragen und redaktionell überarbeitet von Jannik Eder.

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