Das Schöne am Fußball

von Natascha Strobl

Illustration: Christoph Kleinstück

Der Profifußball befindet sich in einer Existenzkrise. Zeit, sich darauf zu besinnen, was das schöne Spiel ausmacht.


413 wörter
~2 minuten

Nichts steht so sehr für Normalität wie das Fußballspiel. Wo das normale Leben ge- oder zerstört wurde, ist Fußball eine der ersten Tätigkeiten, mit denen man versucht, Normalität wieder herzustellen. Ein geradezu poetisches Beispiel dafür waren die westlichen Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs, als im Rahmen des Weihnachtsfriedens 1914 auf dem Niemandsland zwischen den Schützengräben gekickt wurde. In diesem historischen Moment versteckt sich eine allgemeine Wahrheit über den Fußball, die Einfachheit, die ihn so anziehend macht: Es braucht einen Ball, eine freie Fläche und eine beliebige Anzahl von Menschen, und es gibt ein Fußballmatch. Die Grundregeln sind einfach, es braucht nicht einmal einen Schiedsrichter. Im Zweifelsfall wird debattiert. Sprach- oder Altersunterschiede sind völlig egal. Das ist das Schöne am Fußball. Überall auf der Welt wird er gespielt. Überall gibt er Normalität. 

Jetzt ist er physisch komplett verschwunden. Nicht nur, dass man ihn nicht im Stadion anschauen kann, wir können uns noch nicht einmal mit Freundinnen treffen, um im Park zu spielen. Alles was bleibt, ist das Zocken daheim auf der Playstation und das ist nun doch kein adäquater Ersatz. 

Die Corona-Krise ist keine »neue Realität«, sondern eine Überrealität, die mit dem Brennglas schon vorher existierende Verwerfungen sichtbar macht. So auch im Profifußball, wo das einfache Spiel Teil komplexer Verhältnisse ist. Vereine können ohne Werbeeinnahmen und TV-Gelder nicht existieren. Diese Einnahmen fließen nur, wenn Spiele abgehalten werden. Spiele abzuhalten funktioniert gerade lediglich ohne Fans. Fußball ohne Fans aber ist ein Widerspruch in sich. Die organisierten Fanszenen Österreichs fürchten in einem beachtenswerten öffentlichen Statement, dass sich Verbände mit den Covid-Maßnahmen auch sang- und klanglos des politischen Einflusses der Fans entledigen. Was, wenn Geisterspiele nicht mehr als Ausnahme gelten, sondern als »neue Normalität«? 

Natürlich stecken hinter den Plänen der Bundesliga nicht nur Profitinteressen, sondern auch der wirtschaftliche Überlebenskampf vieler Vereine. In einer Notsituation sind sie zu vielen Konzessionen bereit. Aber vielleicht wäre gerade jetzt die Möglichkeit, alles anders zu machen. Mehr statt weniger Mitsprache der Fans. Günstigere Tickets statt Verteuerungen. Und mehr Einbindung der Vereine in Grätzl und Nachbarschaften statt irgendwelchen Ölmulti-Werbedeals nachzujagen. 

So wird es nicht kommen. Aber immerhin können wir uns bald wieder einen Ball schnappen, drei oder 21 weitere Menschen auf einer freien Fläche treffen und spielen. Diese Normalität ist auch etwas wert.

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