Glühendste Freude, erstickte Leben

von Andrea Heinz

575 wörter
~3 minuten
Glühendste Freude, erstickte Leben
Ilse Helbich
Diesseits Gesammelte Erzählungen
Droschl, 2020, 368 Seiten
EUR 24,00 (AT), EUR 24,00 (DE), CHF 33,90 (CH)

Ilse Helbich gehört nicht unbedingt zur Riege der bekannten Schriftstellerinnen in Österreich. 1923 in Wien geboren (also drei Jahre vor Ingeborg Bachmann), wandte sich die promovierte Germanistin, die lange nur für Tageszeitungen und den Rundfunk schrieb, erst spät der Prosa zu. Ihr erstes Buch, den autobiografischen Roman Schwalbenschrift, schrieb sie mit achtzig. Womöglich liegt es an diesen vielen Jahren der Wartezeit, in denen sie (so darf man vermuten) ihre Sätze in Gedanken geschliffen hat, dass ihre Sprache so reif und geklärt wirkt. Das zeigt nun auch der jüngst erschienene Band Diesseits, der mehr als dreißig Erzählungen versammelt – von bisher unveröffentlichten aus den 1980er und 1990er Jahren bis zu bereits veröffentlichten aus den letzten zehn Jahren.

Im lesenswerten Nachwort schreibt Franz Schuh, Helbichs Thema als Schriftstellerin sei vor allem das »Kippen der imaginierten Idyllen in die reale Grausamkeit«. Die Konventionen des sozialen und vor allem des Familienlebens, die entlarvt werden in ihrer Verlogenheit, in der Einsamkeit, Gewalt, dem Leid, das sie erzeugen – während einem von der Fassade ein glückliches Kleinfamilienleben entgegenprangt. Es sind Erzählungen wie gemacht für eine Zeit, in der der Staat plötzlich wieder ins Privateste eingreift. In der konservative Lebens- und Beziehungsmodelle wieder zu jener Norm erhoben werden, die sie schon lange nicht mehr sind. In der Menschen, die aus welchen Gründen auch immer alleine leben, auch alleine spazieren gehen, essen oder schlafen müssen. Und hinter nunmehr völlig verschlossenen Türen die häusliche Gewalt steigt.

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