Linker Green New Deal

von Ulrich Brand

448 wörter
~2 minuten
Linker Green New Deal
Bernd Riexinger
System Change
Plädoyer für einen linken Green New Deal
VSA-Verlag, 2020, 138 Seiten
EUR 12,00 (AT), EUR 12,00 (DE), CHF 17,90 (CH)

Der Begriff des Green New Deal (GND) ist seit einigen Jahren in Diskussion – und er schillert. Die US-amerikanischen Linken um Alexandria Ocasio-Cortez und Ed Markey übernahmen den Begriff von der Sunrise-Bewegung für eine Resolution im Repräsentantenhaus Anfang 2019. Bernie Sanders und die britische Labour Party um Jeremy Corbin präsentierten im Spätsommer 2019 ambitionierte Programme unter dem gleichen Schlagwort. Bernd Riexinger, seit 2012 Vorsitzender der deutschen Linkspartei, schließt daran einen Vorschlag mit eigenen Akzenten an. »Sechs Säulen« sind für Riexinger zentral: Grundlage sollen eine gerechte Daseinsvorsorge sowie ein Investitionsprogramm in soziale Infrastruktur und für einen klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft bilden; Lohnarbeit soll materiell auskömmlich und sinnvoll sein, die sozialen Sicherungssysteme ausgebaut werden und für alle gelten; die Klimakrise soll mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung, Mobilitäts- und Landwirtschaftswende und energetischer Gebäudesanierung bekämpft werden; die bestehenden industriellen Strukturen sollen mit wirtschaftsdemokratischen Instrumenten ökologisch umgebaut werden. Und schließlich soll es zu einer weitgehenden Umverteilung von Erwerbs- und anderen Arbeiten sowie von Vermögen kommen.

Riexinger sieht die Mobilitätswende als Schlüsselkonflikt und spricht sich dabei gegen die E-Automobilität als vermeintlichen entscheidenden Faktor der Zukunft aus. Wirtschaftsdemokratie sollte über die betriebliche Ebene hinaus regional verankert werden – mittels Transformationsräten, also der Möglichkeit von Belegschaftseigentum, und unterstützt von einem staatlichen Transformationsfonds.

Der Linkspartei-Chef entwickelt aber auch strategische Überlegungen zur Durchsetzungsfähigkeit: »Ein linker Green New Deal muss gegen die geballte Macht von Konzernen, Kapitalverbänden und den Parteien, die deren Interessen vertreten, durchgesetzt werden.« Er sieht dennoch gute Voraussetzungen für einen Umbau, denn einerseits erleben wir massive Proteste und andererseits äußern sich in Umfragen Mehrheiten gegen eine als ungerecht empfundene Wirtschaftsordnung. Wie kann aber, so die entscheidende Frage, das kritische Bewusstsein in politische Macht umgesetzt werden? Wie können die mit einem linken GND einhergehenden Verbesserungen der sozialen und natürlichen Lebensbedingungen den Menschen plausibel werden? Die Antwort sieht Riexinger in verbindender Klassenpolitik und in der starken Rolle der Linkspartei im Sinne einer Bewegungspartei.

Bernd Riexinger legt eine ideenreiche programmatische Flugschrift vor, die als eine Art vorweggenommenes Vermächtnis angesichts seines angekündigten Rückzugs von der Parteispitze gelesen werden kann. Die Eigentumsfrage zu stellen wird als diferentia specifica kapitalismuskritischer linker Politik deutlich. In gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen und Strategien zu deren Verschiebung zu denken, macht das Buch spannend.

Eine deutliche Leerstelle in Riexingers linkem GND ist gleichzeitig ein strukturelles Dilemma transformatorischer linker Politik: die internationale Dimension. Aufgabe kritischer Analyse und linker Strategieentwicklung ist ein genaueres Verständnis des transnationalen Charakters der kapitalistisch-imperialen Produktions- und Lebensweise, die sich eben auch als ein grenzüberschreitendes Kräfteverhältnis äußert. Diese Arbeit steht noch aus.

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