Klosterbrüder des Marxismus

von Torsten Bewernitz

416 wörter
~2 minuten
Klosterbrüder des Marxismus
Felix Klopotek
Rätekommunismus
Geschichte und Theorie
Schmetterling, 2021, 240 Seiten
EUR 12,40 (AT), EUR 12,00 (DE), CHF 17,90 (CH)

Der Rätekommunismus ist positiver Bezugspunkt vieler heutiger staats- und parteikritischer Linker. Scheint er doch eine Referenz zu sein für zahlreiche Bewegungen der letzten Jahre: die Platzbesetzungen in Südeuropa, die »Arabellion«, Occupy, nicht zuletzt die globale Frauenstreik-Bewegung.

Felix Klopotek argumentiert mit seiner Einführung gegen solche Mythologisierungen: Weder ist der Rätekommunismus ein anarchistisch-marxistischer Zwitter noch die Urform heutiger Bewegungen: Der Rätekommunismus, so Klopotek, »richtet sich nicht an uns«. Klopotek zitiert den »witzige[n] holländische[n] Trotzkist[en] Sneevliet«: Die Rätekommunisten seien die »Klosterbrüder des Marxismus«, hatte dieser formuliert: Weit mehr als alles, was sich so »Marxist« nannte, beharrten sie auf einer Analyse im Marx’schen Sinne, die allerdings, und das macht ihren Reiz aus, auch auf den Marxismus selber angewandt wurde.

Klopotek beschreibt nach den »Wurzeln« in der Massenstreikdebatte um 1905 die einzelnen »Phasen« des Rätekommunismus: eine aktive Phase, die mit der Deutschen Revolution einherging und die die einzige mit größeren Organisationen darstellte, namentlich mit der AAU (Allgemeine Arbeiter-Union) und der KAPD (Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands) – beide verbunden mit dem Namen Otto Rühle. In der nächsten Phase der frühzeitigen »inneren Emigration« erfolgte eine Verlagerung in die Niederlande, die mit der GIK (Gruppe Internationaler Kommunisten) Epizentrum des Rätekommunismus wurde – unter Beteiligung vor allem Anton Pannekoeks, der noch in die sozialdemokratische Generation Rosa Luxemburgs und Henriette Roland-Holsts gehört. Der Zusammenhang zwischen Krise und Revolte war zu dieser Zeit die wesentliche rätekommunistische Debatte. Ein weiterer Schwerpunkt war die Auseinandersetzung mit dem Faschismus, auch dieser ein ökonomisch und historisch determiniertes Phänomen. National-sozialistische Verirrungen entdecken die Rätekommunisten bereits in einer früheren Entwicklung der Arbeiterbewegung. Auch deswegen ist ihre Kritik am Faschismus untrennbar verbunden mit einer Kritik des Stalinismus.

Klopotek verbindet jedes dieser und weiterer Kapitel mit der ausführlichen Vorstellung eines Vertreters der jeweiligen Position. Ohne diese biografischen Aspekte macht tatsächlich auch eine Geschichte des Rätekommunismus kaum Sinn. Unter anderem deswegen, weil darüber zu reflektieren ist, dass die relevantesten Denkerinnen des Rätekommunismus – Rosa Luxemburg, Anton Pannekoek, Karl Korsch – oftmals gerade keine Arbeiter waren, sondern Intellektuelle. Der Rätekommunismus war »die Bewegung einer intellektuellen Selbstkritik und einer anti-akademischen Marx-Orthodoxie«. Eine Selbstkritik, die der heutigen akademischen Linken oft abgeht.

Der Rätekommunismus ist keine Blaupause für Bewegungen der Gegenwart, aber wir leben noch von seinem Traditionsbestand. In diesem Sinne: Studiert den Rätekommunismus! Aber vernutzt ihn nicht in akademischen Debatten, sondern untersucht ihn »streng auf die Möglichkeiten einer neuen Arbeiterbewegung bezogen«.

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