In Verteidigung der eigenen Sache

von Barbara Eder

442 wörter
~2 minuten
In Verteidigung der eigenen Sache
Silvia Federici
Das Lohnpatriarchat
Texte zu Marxismus & Gender
Mandelbaum, 2022, 182 Seiten
EUR 16,00 (AT), EUR 16,00 (DE), CHF 22,90 (CH)

Feminismus und Marxismus zählen bis heute zu den einflussreichsten Denkströmungen, die das 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Die Ursprünge beider Bewegungen sind Silvia Federici zufolge nur dem Anschein nach verschieden: Sie wurzeln im Aufbegehren gegen die Zurichtungen durch jenes Kapital, das seit dem 16. Jahrhundert seine Aneignungsdynamiken expansiv entfaltet. Zu den Auswirkungen der »ursprünglichen Akkumulation« gehört die Massenmigration von den Dörfern in die Städte; was folgt, ist die Unterwerfung ihrer Subjekte unter das disziplinierende Regime von Manufaktur und Fabrik.

Die Effekte dieser bis heute andauernden Aneignung haben Marxistinnen und Feministinnen auf unterschiedliche Weisen zu fassen versucht. Während erstere den Proletarisierungsprozess oft als notwendige Voraussetzung für den späteren Klassenkampf ansahen, monierten letztere zumeist ihren Ausschluss davon. Selbst wenn sie als Arbeiterinnen Lohn bekamen, waren sie im Produktionsprozess marginalisiert; zusätzlich dazu leisteten sie nach Schichtende noch jene unentgoltene Arbeit an der Reproduktion, die bis heute stillschweigende Voraussetzung für die (Wieder-)Herstellung von Arbeitskraft ist: Putzen, Kochen sowie das Gebären und Aufziehen von Kindern mitsamt den Zuwendungen gegenüber ihren Erzeugern.

Bei Marx findet die reproduktive Arbeit kaum Erwähnung – und selbst wenn sie vorkommt, wird ihr nur bedingt Wert zugesprochen. Federici zufolge sorgen seit den 1870er Jahren neben Kapitaldynamiken auch pädagogisierende Programme für die Absicherung eines »Lohnpatriarchats«: Die zunehmend aus den Fabriken verbannten Arbeiterinnen sollten als »Vollzeithausfrauen« erneut verfügbar gemacht werden. In strikter Abgrenzung von der Sexarbeiterin, die ökonomisch autark existieren konnte, entstand ein Idealbild der Hausfrau, die dem männlichen Lohnarbeiter das Gefühl eines Zuhauses geben sollte. Ein marxistisch-feministischer Kampf gegen Kapital und Patriarchat muss Silvia Federici zufolge im Bett, am Herd und im Heim beginnen – dort, wo die bürgerlichen Ideologien von Liebe und Ehe bis heute die männliche Herrschaft absichern. Im ersten Aufsatz von Das Lohnpatriarchat skizziert sie, wie ein derartiges »Counterplanning aus der Küche« aussehen könnte, in einem weiteren wird Bezug auf die 1972 von Mariarosa Dalla Costa lancierte »Lohn für Hausarbeit«-Kampagne genommen, die volkswirtschaftlich Unbeziffertes sichtbar machen sollte. Belege für eine Anerkennung des Werts dieser Tätigkeit findet Federici vor allem dort, wo ein gemeinsam Geteiltes im Zentrum kollektiv organisierten Lebens und Arbeitens steht: bei Kooperativen in Peru und Bolivien, den Zapatistinnen und Campesinas in Mexiko und Lateinamerika sowie den frühen Katharern und Waldensern, die sich Thomas Müntzers »omnia sunt communia« auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Die Lektüre ihres Buches ist äußerst lohnenswert – auch im Hinblick auf die Neuformulierung einer Idee des Kommunismus, die ohne den Übergang einer realsozialistischen Diktatur des Proletariats und die Schmerzen einer nachholenden und zugleich neokolonial geprägten »ursprünglichen Akkumulation« auskommt.

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