Das Grauen der Gleichzeitigkeit
von Andrea Heinz
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Die russische Dichterin Anna Achmatowa hat einmal erzählt, wie sie in einer Schlange in einem Leningrader Gefängnis stand und als Schriftstellerin erkannt wurde: »Da erwachte die hinter mir stehende Frau mit blauen Lippen, die meinen Namen natürlich niemals gehört hatte, aus jener Erstarrung, die uns allen eigen war, und flüsterte mir ins Ohr die Frage (dort sprachen alle im Flüsterton): ›Und Sie können dies beschreiben?‹ Und ich sagte: ›Ja.‹ Da glitt etwas wie ein Lächeln über das, was einmal ihr Gesicht gewesen war.« Daran muss man denken, wenn man Cemile Sahins Alle Hunde sterben liest. Sahin erzählt von einer Gewalt, die hierzulande kaum eine Stimme bekommt, deren Ausmaß wenig bekannt ist: der Polizei- und Militärgewalt in der Türkei. Die Türkei, das ist das Land, das den europäischen Staaten die Flüchtlinge vom Hals hält. Aber es flüchten auch Menschen aus diesem Land.
2016, das ist fast ein wenig in Vergessenheit geraten, gab es in der Türkei einen Putschversuch, danach herrschte zwei Jahre lang der Ausnahmezustand. Nach seinem Ende wurden Anti-Terror-Gesetze verschärft, eine neue Verfassung trat in Kraft, die sich im Wesentlichen nicht vom Ausnahmezustand unterscheidet. Für das Jahr 2016 hielt eine in Ankara ansässige Denkfabrik fest, im Land seien 11.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert; es gibt den Begriff »unbewaffneter Terrorismus«.
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