Die Angst von damals

von Georg Pichler

577 wörter
~3 minuten
Die Angst von damals
Alfons Cervera
DIE FARBEN DER ANGST (Aus dem Spanischen von Erich Hackl)
Bahoe Books, 2020, 200 Seiten
EUR 20,00 (AT), EUR 20,00 (DE), CHF 28,90 (CH)

Es könnten einfache Dorfgeschichten sein, die von den Wunschkonzerten der Brüder Gómez, vom Revue- und Varietétheater Espectáculos Romero und von einer nächtlichen Tanzveranstaltung zu Ehren des Ortsheiligen in der Kooperative La Agrícola erzählen. Oder auch von Kindern, die Fische, Vögel und Frösche fangen und manchmal »Aufhängen« spielen, bei dem die Bande der Guten den zuvor ausgelosten Bösen fangen und am Ast eines Johannisbrotbaums aufhängen muss, an der Hüfte oder unter den Achseln, genau weiß das keiner mehr.

Es könnten so einfache Dorfgeschichten sein, würde nicht auch erzählt, wie bei der Tanzveranstaltung eine der Frauen, Guadalupe, sich davonschleicht, um ihren Mann Sebastián zu treffen. Der hat sich den Maquis, den in den Bergen lebenden Widerstandskämpferinnen, angeschlossen und wird bald darauf von den Machthabern auf dem Hauptplatz brutal zu Tode gequält. Oder würde nicht berichtet, wie die Gendarmen Angelín, den acht oder neun Jahre alten Sohn der beiden, beim Fischen festnehmen und ihm mit einem Schweißbrenner beide Hände verbrennen, aus Rache wegen eines angeblichen Mordes seines Vaters. Oder wie die Kinder eines Morgens am Ast des Johannisbrotbaums tatsächlich eine Leiche hängen sehen: Ein namenloser Dorfbewohner hat es nicht länger ertragen, jeden Abend von den Gendarmen verdroschen zu werden, bloß weil er anders dachte als sie.

Alfons Cervera hat diese Geschichten in Los Yesares angesiedelt, einem kleinen fiktiven Ort im bergigen Hinterland von Valencia, der vieles mit dem 556-Seelen-Dorf Gestalgar gemein hat, in dem der Autor 1947 geboren wurde und heute noch lebt. Die Farben der Angst ist der letzte Teil eines fünfbändigen Romanzyklus, erschienen zwischen 1995 und 2005, der um ein Thema kreist: die Repression im düsteren Spanien des Franquismus kurz nach dem Bürgerkrieg, in dem die Sieger ihrer Willkürherrschaft über die Besiegten freien Lauf lassen, dargestellt am Mikrokosmos eines Dorfs in der Provinz.

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