Die Echtzeit-Hektik in der Nachfolge des Attentats vom 2. November folgt einem Muster: So wie schon nach dem Mord am Leiter der Sozialabteilung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn im Februar 2019 wird der gewalttätige Einzelfall als neue Normalität stilisiert, auf die man nun »endlich« und »energisch« (also: strafverschärfend) reagieren müsse. Und so wie vor knapp zwei Jahren nach dem Mord in Dornbirn vom damaligen Innenminister Herbert Kickl die sofortige Einführung der präventiven Sicherungsverwahrung für »fremde« Gefährder gefordert wurde, so plant die Bundesregierung jetzt die Möglichkeit des präventiven Wegsperrens: Terroristische Straftäter sollen auch nach Verbüßung ihrer Haft auf unbestimmte Zeit im Maßnahmenvollzug untergebracht werden.
Dieses demagogische Muster wäre nicht aussichtsreich, wenn man es dabei beließe. Deutlich ist ja, dass Österreich eines der sichersten Länder der Welt ist, dass wir hierzulande nur etwa sechs Morde auf eine Million Einwohner beklagen müssen und dass die Kriminalität insgesamt seit geraumer Zeit rückläufig ist. Dieses Muster fängt erst an hegemoniale Wirksamkeit zu entfalten, wenn man zugleich den Einzelfall zur substanziellen Bedrohung aller Staatlichkeit und aller Werte verdinglicht. Die allenthalben produzierte heiße Luft nach Vorfällen wie dem Wiener Attentat besteht deshalb aus einem Amalgam von schmerzgebeugten und öffentlichkeitswirksamen Beileidsbekundungen, dem Ruf nach Hochrüstung und der ideologischen Einordnung des Einzelfalles als erheblichen Angriff auf »unsere Sicherheit«.
Das landläufige Argument der Präventivhaft-Befürworter ist einfach: Der Staat habe dafür zu sorgen, dass den Bürgerinnen und Bürgern maximaler Schutz vor potenziellen Gefährdern zukomme. Was aber heißt das? Die Formel für die Präventivhaft lautet: Es ist »denkbar«, dass etwas »sein könnte« – und genau das soll dann als Rechtsgrundlage für das Wegsperren formuliert werden.
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