Engels als Ethnologe und Historiker
von Richard Schuberth
Der Wiener ADV-Verlag der Gruppe »Der Funke« hat einen Klassiker der marxistischen Literatur neu aufgelegt: Engels’ Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats.
Kaum hatte das Bürgertum mit großer Kraftanstrengung die Gottgewolltheit feudaler und absolutistischer Macht zumindest ideell auf den »Misthaufen der Geschichte« befördert, setzte es ideologisch seine eigene Gottgewolltheit an deren Stelle – oder versuchte sich wissenschaftliche und philosophische Legitimation zu verleihen. Nicht nur präsentiert sich der Kapitalismus, bis heute, als alternativloses Ende der Geschichte, er tut auch so, als wäre er in der Menschheit immer schon in nuce angelegt gewesen. In gleicher Weise stellte die bürgerliche Gesellschaft ihren soziologischen Nukleus, die patriarchale Kernfamilie, als anthropologische Invariante hin. Bis Friedrich Engels auf den Plan trat und den Zweifeln an dieser biederen Erfolgsgeschichte ein wissenschaftliches Fundament verlieh.
Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats ist nicht allein ein Eckpfeiler marxistischer Ideologieproduktion, sondern wird von Ethnologie, Geschichtswissenschaft und Soziologie als einer ihrer Schlüsseltexte akzeptiert. Dass sich die von Engels nachgezeichnete Genese von den Formationsphasen »Wildheit« über »Barbarei« hin zur »Zivilisation« auf den Bahnen des damals modischen und mittlerweile relativierten Kulturevolutionismus bewegte, ändert nichts an der Gültigkeit vieler seiner Thesen.
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