Ein nostalgischer Charme geht von dem teilweise in Rosa gehaltenen desolaten Gebäude der verlassenen Zuckerfabrik in Sládkovičovo (bis 1948 Diosek, 50 Kilometer östlich von Bratislava) aus. Dieses stereotyp wirkende Bild einer leerstehenden Fabrik wurde von Olija Triaška Stefanović im Rahmen von Ilona Némeths Projekt Eastern Sugar Archive (2017–2021) aufgenommen. Sie steht stellvertretend für ein Projekt, das nicht dem »Ruin Porn« frönt, sondern den Verfall der Zuckerindustrie der Slowakei und der angrenzenden Länder beschreibt. Zu sehen sind die Rückansicht, die Lagerhallen und Nebengebäude, nicht aber die Produktionshalle einer Zuckerfabrik.
Ausgehend von ihrem Interesse am Fall des Kommunismus und dem Einzug des Kapitalismus in der Slowakei sowie den damit verbundenen Phänomenen Populismus und Nationalismus geht Ilona Németh vor allem der Frage nach, was nach den verlorenen Fabriken kam. Antworten darauf suchte sie in zahlreichen Kooperationen und Projekten, in der Rolle der Künstlerin, Kuratorin, Dokumentaristin, Aktivistin, investigativen Journalistin, Archivarin oder auch Museologin.
In ihrer aktuellen Publikation Eastern Sugar skizziert Németh in Texten, Gesprächen, aber auch visuellen Essays zehn slowakische Fabriken, von denen nur mehr zwei produzieren. Eine davon befindet sich in österreichischem Besitz, die andere in deutschem.
Der starke Rückgang der Zuckerproduktion und die damit einhergehenden Fabrikschließungen gingen zunächst Hand in Hand mit dem Systemwechsel. Der COMECON-Markt verschwand, die slowakische Zuckerproduktion wurde in den Weltmarkt eingegliedert, es folgte eine Welle von Privatisierungen. Für die Slowakei galt nach dem Beitritt zur EU im Jahr 2004 die europäische Zuckerquote. Als die EU zwei Jahre später beschloss, die europäische Zuckerproduktion drastisch zu reduzieren, hatte dies schließlich die weitgehende Zerstörung der osteuropäischen Zuckerindustrie zur Folge.
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