Dort, wo ich aufwuchs, im südlichen Waldviertel, äußerte man sich oft abfällig über die »Behm«; manch »Mostblutzer« bei uns attestierte ihnen sogar physische Unattraktivität. Lief aber Drei Nüsse für Aschenbrödel im Fernsehen, japste man vor Entzücken über die tschechische Prinzessin und den dazugehörigen Prinzen. Und man hielt bei den einschlägigen Meisterschaften immer zu den bezaubernden russischen Eisläuferinnen mit den geröteten Wangen. Den »Russ« hatte man nicht gut in Erinnerung, aber – ganz einer tiefsitzenden Ambivalenz gegenüber diesem Volk folgend – schwärmte man vom Glanz der russischen Aristokratie und Ivan Rebroffs Kosakenliedern. Über den serbischen Zwangsarbeiter auf dem Bauernhof meiner Großeltern äußerten sich diese stets mit großer Sympathie. Er war ein Bauer wie sie. Bauern und Bäuerinnen pflegen Argwohn gegen alles und jedes, vor allem gegen das Nachbardorf, aber die Indoktrination mit nationalen Ressentiments erwies sich bei ihnen als zäh und langwierig – schlicht, weil sie das Nationalitätenprinzip nie richtig verstanden. Niemand weiß, wann sich die Abneigung gegen die »Behm« in ihnen festgesetzt hatte, ob der Pfarrer oder der Dorflehrer sie gepredigt hatte, ob sich gar alte antihussitische und antiprotestantische Haltungen oder erst die antitschechische Propaganda um 1900 darin sedimentierten. Eines ist klar: Von all den bisher genannten Nationalitäten wusste niemand bei uns, dass sie zu den Slawen gehören sollten. Deshalb zu Beginn die naive Frage: Ist jemand, der Böhmen und sowjetische Russen nicht mag, russische Aristokratinnen verehrt, auf osteuropäische Erntearbeiter (ganz gleich ob Rumänen, Roma oder Polinnen) runterschaut, Kroaten vom Urlaub her super findet, Serbinnen gegenüber keine Meinung hat, Bulgaren aber nicht ausstehen kann, weil die im Hotel an der Schwarzmeerküste so unfreundlich waren, ist so einer ein antislawischer Rassist?
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