David Mayer | Die Gewerkschaften drängten zuletzt auf einen teilweisen Ausgleich der hohen Inflation. In den Kommentarspalten der österreichischen Tageszeitungen hieß es sogleich, höhere Löhne würden die Inflation nur weiter anheizen. Ist dieser Zusammenhang überhaupt begründbar?
Helene Schuberth | Ein solcher Zusammenhang von Löhnen und Preisen ist historisch eher selten und lässt sich für Österreich für die letzten 40 Jahre ganz sicher nicht beobachten. Seit Anfang der 1980er Jahre gab es insgesamt keine hohen Inflationsraten. Die Lohn-Preis-Spirale ist auch insofern ein Mythos, als die traditionelle gewerkschaftliche Grundorientierung im österreichischen Kollektivvertragsverhandlungssystem – die sogenannte Benya-Formel, also eine Abgeltung der Produktivitätssteigerungen und der Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate – immer gewährleistet hat, dass von der Lohnentwicklung kein Inflationsdruck ausgehen kann.
Wenn es in diesem Land einen hausgemachten Inflationsdruck gegeben hat, dann eher aus der Entwicklung der Gewinne. In diese Richtung hat erst jüngst die EZB für den Euroraum argumentiert. Die Energieversorger sind dafür ein gutes und weithin bekanntes Beispiel, vor allem in jüngster Zeit. Ein anderer Bereich sind die Mieten. Die gerade erst im April schlagend gewordene Anpassung der Richtwertmieten um 5,8 Prozent ist nichts anderes als eine eklatante Umverteilung von unten nach oben. Wir wissen, dass auf das oberste Einkommensfünftel ein Großteil der Mieteinnahmen fällt. Aus Vermögensperspektive ist der Kontrast noch schärfer: Die vermögendsten zehn Prozent der Bevölkerung lukrieren 80 Prozent der Mieteinnahmen. Es gibt in Österreich noch immer überproportional viele Mieter und Mieterinnen, insbesondere in Wien – und diese sind momentan mit höheren Energierechnungen, höheren Lebensmittelpreisen und jetzt auch noch mit steigenden Mieten konfrontiert. Da wird viel eher eine Miet-Preis-Spirale in Gang gesetzt.
DM | Was erklärt dann die aktuell hohen Inflationsraten, und wie übersetzt sich das politisch?
Jetzt weiterlesen? Das sind Ihre Optionen.
DIESE AUSGABE
KAUFEN
Jetzt kaufen
JETZT
ABONNIEREN
Zu den abos
Ihre Spende für kritischen Journalismus
Linker Journalismus ist unter Druck. Zumal dann, wenn er die schonungslose Auseinandersetzung mit den herrschenden Verhältnissen profitablen Anzeigengeschäften vorzieht. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie es uns, kritische Berichterstattung auch angesichts steigender Kosten in gewohnter Form zu liefern. Links und unabhängig.