Luise Marchand: Im Fluss bleiben
von Christina Töpfer
»Bilder der Auseinandersetzung« 6/2022. In Zusammenarbeit mit »Camera Austria International«.
Die Zeichen stehen gut« lautet das optimistische Versprechen einer postindustriellen, effizienzorientierten Arbeitswelt. In ihrem gleichnamigen, seit 2016 fortlaufenden Projekt macht Luise Marchand jene Objekte, Materialien und Tools sichtbar, mit denen wir uns in den Zwischenbereichen von beruflichem und privatem Leben umgeben: Objekte, die uns mobiler, flexibler, entspannter machen und dabei helfen sollen, den Anforderungen eines durchgetakteten Alltags und dem damit einhergehenden (Selbst-)Optimierungsdruck standzuhalten.
Die Bandbreite der Motive in Marchands Serie reicht vom ergonomischen Bürostuhl Mira über schweißabsorbierende Achselpads, das Training intensivierende Gewichtsmanschetten oder zum Eintauchen einladende Schwimmbadkacheln bis hin zum perfekt kinesiogetapten Oberarm und dem Close-up einer Allwetterjacke, die auch bei schlechtem Wetter weder Anlass noch Entschuldigung bietet, das Joggen ausfallen zu lassen. Vermittelt wird in diesen Bildern eine Welt, in der sich das Subjekt unter dem Deckmantel der Freiheit kontinuierlich dem Streben nach Präsenz, Funktionieren und Leistungssteigerung unterwirft. Oder wie es der Philosoph Byung-Chul Han 2015 in Psychopolitik. Neoliberalismus und die neuen Machttechniken formulierte: »Die Machttechnik des neoliberalen Regimes nimmt eine subtile, geschmeidige, smarte Form an und entzieht sich jeder Sichtbarkeit. Das unterworfene Subjekt ist sich nicht einmal seiner Unterworfenheit bewusst.«
Zwischen Phasen intensiver, zumeist immaterieller Arbeit helfen Powernaps dabei, sich kurz zu erholen, um mit neuem Elan die nächsten Projekte anzugehen. Die hier gezeigte Fotografie steht dabei exemplarisch für das Ineinander-Übergehen von Arbeit, Erholung und Freizeit – zwischen Macbook und Sofa findet das erschöpfte Selbst einen Moment des Verschnaufens. Der Schriftzug der über die Sofalehne drapierten Decke mit dem Refrain eines Neunziger-Jahre-Popsongs von Mariah Carey unterstreicht die längst in die Philosophie zahlreicher Unternehmen übernommene Aufforderung, man müsse Stärke aus dem Selbst schöpfen, immer weiterstreben und dürfe keinesfalls aufgeben, wenn man in der Welt bestehen möchte.
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