Maik Gräf: Kompromisslos leben

von Christina Töpfer

»Bilder der Auseinandersetzung« 11/2022, in Zusammenarbeit mit »Camera Austria International«

Sein 2022 finalisiertes Ausstellungs- und Publikationsprojekt nannte Maik Gräf ZOE. Dieser Titel leitet sich vom altgriechischen Wort »zōē« ab, das »das Leben« im Sinne eines wahren, kompromisslosen Ausdrucks der eigenen Persönlichkeit bezeichnet. Die Serie führt Fotografien antiker Marmorstatuen und insbesondere Nahaufnahmen von diesen mit zeitgenössischen Porträts queerer Personen zusammen, denen der Künstler in Athen begegnet ist. Die Ästhetik der jungen, athletischen Männerkörper und das damit verbundene Begehren – eine Faszination, die schon Aristoteles in seinen Schriften erkennen ließ – treffen in der Arbeit Gräfs auf Erfahrungen, die den Alltag queerer Personen in Griechenland prägen.

In zahlreichen Gesprächen erfuhr der Künstler mehr über das Leben der Porträtierten in einer heteronormativ geprägten Gesellschaft, über toxische Männlichkeit, die Anfeindungen, denen sich viele der Interviewten ausgesetzt sehen, das Gefühl der Bedrohung im öffentlichen Raum wie auch über die Relevanz von Solidarität und Gemeinschaft queerer Personen untereinander und das Erkämpfen persönlicher Freiheiten.

Auf der hier gezeigten Doppelseite aus Gräfs Künstlerbuch ZOE, das im Risoprint-Verfahren gedruckt wurde und im Sommer 2022 in einer Auflage von 150 Exemplaren erschienen ist, sehen wir ein geschlossenes Ladenlokal, an dessen heruntergelassenen Rollläden mit Schablonen das Porträt der auf offener Straße ermordeten Dragqueen Zackie Oh (Zak Kostopoulos) zusammen mit dem Slogan »No Zackie, No Peace« aufgesprüht wurde. Im hinteren Teil der Publikation erzählt der Aktivist I., dessen Porträt auf der rechten Seite des Bildes zu sehen ist, wie er als Sechzehnjähriger von Zackie Oh aufgenommen wurde, nachdem er von seinem Vater zu Hause hinausgeworfen worden war und fortan obdachlos auf den Straßen Athens lebte. Wie viele andere kennt auch er die abschätzigen Blicke einer Gesellschaft, die sich anscheinend weit von den Idealen der griechischen Antike und deren Akzeptanz homosexuellen Begehrens, wie es in zahlreichen antiken Schriften zum Ausdruck kommt, entfernt hat.

Maik Gräf, Doppelseite aus: ZOE, 2022. Eigenverlag.
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