Die jüngste Welle der durch Chats aus der Ära Kurz ausgelösten Skandale betraf die Medien, sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch privaten. Ans Licht kam zweierlei: aus normativer Sicht eine unbekümmerte Missachtung ethischer und professioneller Mindeststandards des Journalismus; aus realistischer Sicht die Bestätigung jener Einschätzung, wonach Medien die Arena einer Art ideologischen Klassenkampfes sind. Dieser ist ein verzerrter, weil asymmetrischer – große Medien brauchen schließlich großes Kapital. In Österreich ist die Situation noch einmal verschärft: die fehlende liberale Tradition, das Gefangensein im Doppel aus (falsch politisiertem) staatlichen Rundfunk und Boulevard usw. Bis in die 1970er Jahre spielte zudem die unmittelbare »Parteipresse« eine wichtige Rolle. Der späterhin so bekannte Politikwissenschafter Anton Pelinka umriss im Tagebuch Anfang 1968 einen bis heute nachwirkenden Umbauprozess: das Sterben der »Parteipresse« und den Aufstieg von auf »hintergründigere« Weise politisch verorteten Medien – inklusive eines Boulevards, der entgegen seiner »roten« Eigentümerschaft Entpolitisierung und Vorurteilskultur weiter fördert.
Anton Pelinka
Krise der Presse – Krise der Demokratie
[...]
»Zeitungskrise, Zeitungssterben sind auch österreichische Tatsachen. [...] Und dennoch hat diese Krise in Osterreich ganz spezifische Züge. [...] Während es fast überall im sogenannten Westen selbstverständlich ist, daß eine Zeitung unter anderem auch ein Produkt ist, dessen Verkauf einen Gewinn abwerfen soll, existiert dieses marktwirtschaftliche Prinzip in Österreich nur rudimentär.
[...]
In erster Linie sind es die Parteiblätter, die nach diesem [nicht kostendeckenden, Anm.] Gesichtspunkt geführt werden. Es ist allerdings völlig ungewiß, wie lange sie noch geführt werden [...]. Während aber anderswo die Parteipresse zu Grabe getragen wird, ersetzt man in Österreich die Parteipresse des alten Typs durch eine Parteipresse eines neuen Typs. Die neue Parteipresse deklariert sich nicht mehr, sie ist nicht mehr unmittelbar, sondern mittelbar parteiabhängig, sie fährt unter dem Deckmantel der Parteiunabhängigkeit. Die Parteipresse ist tot, es lebe die Parteipresse.
Diese Problematik wird schon bei der Wiener ›Presse‹ deutlich: Wie weit kann eine Tageszeitung, die im Eigentum der Bundeswirtschaftskammer steht, sich noch wirklich parteiunabhängig nennen [...]? Was aber die Parteipresse des neuen Typs auf dem Boulevardsektor zeigt, läßt den Rückgang der alten Parteipresse bedauern. [...] Der sozialistische ›Express‹ konfrontierte seine Leser mit einer Berichterstattung, die nur das Prädikat ›verdummend‹ verdient.
[...]
Millionen werden investiert, um auf der Ebene und dem Niveau der ›Kronen Zeitung‹ konkurrenzfähig zu sein; um auf dem Klavier der politischen Ressentiments, der Spießer-Mentalität mitspielen zu können. Wenn eine demokratische Partei bereit ist, für einen solchen Zweck Millionenbeträge zu opfern, so erweitert sich die Kritik an dieser Parteipresse des neuen Typs zu einer Kritik an der Partei, erweitert sich die Krise der Presse zur Krise der Demokratie.«
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