Für Alessandro Sallusti, Redakteur der rechtsgerichteten italienischen Tageszeitung Libero, bestand von Anfang an kein Zweifel am radikalen Wesen Elly Schleins: »Offen bisexuell, kommunistisch, antikapitalistisch, Dritte-Welt-affin und ökologisch, eine Träumerin, proeuropäisch, vor allem aber sehr ehrgeizig« sei die 37-jährige gebürtige Tessinerin. Zu Beginn des Rennens um die Führung der größten Mitte-links-Partei Italiens, des Partito Democratico (PD), schwang bei Sallusti sogar eine spöttische Hoffnung auf ihren Sieg mit: »Machen wir uns auf einen Lacher gefasst«, überschrieb er damals sein Porträt der anfänglich als Außenseiterin gehandelten Kandidatin. Für viele in der italienischen Linken klangen die Auslassungen des reaktionären Schreiberlings dagegen nach einer bekannten Meme-Seite mit dem Titel »Dinge, die die Rechte sagt und die cool wären, wenn sie nur wahr wären«.
Doch auch wenn die Zuschreibung »antikapitalistisch« in Bezug auf Schleins politische Agenda genauso übertrieben war wie die Versuche so mancher neoliberaler Falken, sie mit einem Wirtschaftsprogramm »nach venezolanischem Vorbild« in Verbindung zu bringen, deutete sich schon in ihrer Kandidatur die Möglichkeit einer Kurskorrektur des PD an.
Italiens AOC
Elly Schlein war der Partei erst im Dezember 2022 wieder beigetreten, nachdem sie sie 2015 – der damalige PD-Vorsitzende Matteo Renzi war Premierminister – verlassen hatte. Nicht ohne Grund. Der 2007 aus einem Zusammenschluss ehemaliger kommunistischer, christdemokratischer und liberaler Kräfte entstandene PD hatte in der Zeit nach der Krise von 2008 gleich mehrere technokratische und Mehr-Parteien-Regierungen unterstützt. Kein Wunder, dass er bald als Partei des Establishments gesehen wurde. Dazu passt, dass der PD seit seiner Gründung eher an der Entsorgung mühsam erkämpfter Arbeitsrechte beteiligt war als an der Schaffung neuer. Und dass er selbst vor Koalitionen mit alten Feinden wie Silvio Berlusconi, der eklektischen Fünf-Sterne-Bewegung oder der einwanderungsfeindlichen Lega nicht zurückgeschreckt ist. Zuletzt richtete die Partei bei den Parlamentswahlen im vergangenen September ihre gesamte Kampagne auf eine Verteidigung der Bilanz Mario Draghis aus. Das Kabinett der nationalen Einheit des ehemaligen Zentralbankers konnte sich der Unterstützung des PD zu jedem Zeitpunkt sicher sein.
Elly Schlein verkörpert demgegenüber einen progressiven, bewegungsorientierten Ansatz, eine »intersektionale Sozialdemokratie«, wie sie selbst ihre Vision nennt. Was man sich darunter vorstellen kann? Schlein steht für einen radikalen sozial-ökologischen Wandel, Mindestlöhne und Vermögenssteuern. Die New York Times stellte in einem Artikel zu Schlein Alessandro Sallustis Urteil auf den Kopf. Schlein sei »eine Frau, die mit einer Frau lebt, Tochter eines jüdisch-amerikanischen Vaters, Enkelin eines italienischen, antifaschistischen Partisanen, stolze Einwohnerin von Lugano in der Schweiz und früher eine ehrenamtliche Unterstützerin von Barack Obama; sie hat an einem preisgekrönten Dokumentarfilm über albanische Flüchtlinge mitgewirkt, ist Fan von Die nackte Kanone und klopft Green-Day-Akkorde auf ihrer E-Gitarre; als glühende Progressive will sie mit ›AOC‹, der New Yorker Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, international gemeinsame Sache machen.«
»Schleins Botschaft der Erneuerung ist aber bei weitem nicht als Absage an alles Bisherige zu verstehen. Darauf verweist schon der starke Rückhalt, den sie unter den Spitzenfunktionären ihrer Partei genießt. Für sie stellt Schlein nicht die kantige Oppositionsführerin dar, sondern in erster Linie die Hoffnung auf die nächste Premierministerin.«
Der Vergleich mit Ocasio-Cortez war in den internationalen liberalen Medien nahezu allgegenwärtig. Tatsächlich wirkt die Art und Weise, wie Schlein von sozialer Gerechtigkeit spricht, bisweilen von der US-Linken inspiriert. Schleins Geschichte aber ist ganz anders gelagert als die von AOC. Das gilt im Übrigen auch für die Aufgaben, die vor ihr liegen. Seit ihrer Bestätigung durch den Parteitag des PD Mitte März führt Schlein die wichtigste Mitte-links-Partei Italiens.
Auf dem Weg dorthin wurde sie von den meisten Spitzenpolitikern des PD auf Landesebene unterstützt. Ihr Konkurrent um den Parteivorsitz, der Regionalpräsident der Emilia-Romagna, Stefano Bonaccini, konnte sich dagegen auf den Rückhalt der lokalen Funktionäre stützen. Ein Match zwischen Establishment und aufbegehrender Basis sieht selbstredend anders aus. Das mag auch daran liegen, dass Schlein bis zum letzten Herbst Bonaccinis Vizepräsidentin gewesen ist. Die ausnehmend höflich geführte Vorwahl bot jedenfalls kaum Konfliktstoff. Schlimmer noch: Es fehlte an einer wirklichen Auseinandersetzung mit der jüngsten Regierungsbilanz des PD oder mit den Gründen dafür, dass die Partei in den letzten zehn Jahren einen großen Teil ihrer Wählerschaft verloren hat.
Nur einmal gerieten der Kandidat und die Kandidatin ernsthaft aneinander, und zwar nach einer Bemerkung Bonaccinis, wonach er jene Linke vertrete, die »an der Wahlurne gewinnen will, nicht bei Diskussionen auf Dinnerpartys«. Damit bediente er einen Spin, mit dem Schlein während des Wahlkampfs von unterschiedlicher Seite aus konfrontiert war. Sowohl rechte Blätter als auch wirtschaftsliberale Medien aus dem Umkreis des früheren Premiers Matteo Renzi versuchten regelmäßig, sie als Vertreterin von »woken« Minderheitenanliegen, die nur für Hyperpolitische von Interesse seien, zu framen. In Italien haben Antifeministen, Transphobiker und Faschisten dafür den Begriff »Sinistra ZTL«, also »ZTL-Linke«, geprägt. Das Akronym ZTL (»zona traffico limitato«) bedeutet frei übersetzt »Zone mit eingeschränktem Verkehr«. Solche Zonen findet man in den historischen Zentren italienischer Städte. Dort, wo in der Regel die Wohlhabendsten wohnen und die Benutzung von Autos untersagt ist. Generell ging die Presse nicht zimperlich mit Schlein um, antisemitische Untertöne inklusive. Besonders unangenehm fiel die der Fünf-Sterne-Bewegung nahestehende Tageszeitung Il Fatto Quotidiano auf, die Schlein immer wieder »Kosmopolitismus« vorwarf und beiläufig auf ihre »aschkenasische« Abstammung hinwies.
Für die, die nicht mehr wählen
Programmatisch setzte Schlein während ihrer zweimonatigen Kampagne letzten Dezember von Anfang an auf die Rückgewinnung derjenigen Menschen, die gar nicht mehr wählen gehen. Damit traf sie einen Nerv im italienischen politischen System. Im Februar fanden Regionalwahlen in der Lombardei, der größten Region des Landes rund um Mailand, und in Latium, der Region um Rom, statt. Bei beiden Wahlgängen setzte sich die Rechte durch, allerdings bei Wahlbeteiligungen von nur 42 bzw. 37 Prozent. Schon an den Parlamentswahlen im vergangenen September nahmen nur noch 64 Prozent teil, so wenige wie noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Dabei lag die Wahlbeteiligung sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene noch bis in die 1980er-Jahre regelmäßig bei über 90 Prozent. Die seither wachsende Gruppe der Nichtwählerinnen setzt sich überwiegend aus jungen Menschen, Geringverdienern und Personen aus dem Süden zusammen. Genau diese Milieus, die zuletzt noch am ehesten der Fünf-Sterne-Bewegung zugeneigt waren, wollte Schlein erreichen.
Der Wahlprozess für den Vorsitz des PD im vergangenen Februar war zweistufig. In einem ersten Wahlgang durften nur Parteimitglieder abstimmen, im zweiten auch Nicht-Parteimitglieder, die sich rechtzeitig registriert hatten. Während Schlein bei Ersteren mit 52.637 zu 79.787 Stimmen recht deutlich gegen Bonaccini verlor, konnte sie im zweiten Durchgang den Spieß umdrehen. Am Ende entfielen 587.010 Stimmen auf sie, 505.032 Stimmen gingen an ihren Kontrahenten. Zwar mangelt es an Umfragedaten, das Ergebnis und die meisten Berichte von Parteiversammlungen erlauben dennoch manche Schlussfolgerung. Die wichtigste ist die, dass das öffentliche Interesse an der weiteren Zukunft des PD bei dieser Vorsitzwahl weit über die eigene Mitgliedschaft hinausging.
In ihrer Siegesrede betonte Schlein erneut die Notwendigkeit, jene Italiener zu erreichen, die der Politik in den letzten Jahren den Rücken gekehrt haben, die Nichtwähler, die besonders zahlreich in den »untersten Einkommensschichten« vertreten sind. Überhaupt dürfe der PD »nicht eher ruhen, bis den prekären und befristeten Arbeitsverträgen ein Ende gesetzt ist, die unbezahlten Praktika abgeschafft sind und für die Einführung eines Mindestlohns gesorgt ist«. Ob die Partei, die sie gerade eben übernommen hat, dazu bereit ist, für diese Ziele genauso zu kämpfen wie Schlein selbst, wird sich freilich erst weisen.
Einmal etwas Linkes
Es überrascht kaum, dass sich Linke für die junge Geschichte des Partito Democratico nicht begeistern können. Die Partei, die sich vor allem als »antipopulistische« und »proeuropäische« Kraft profilierte, die eher liberal als sozialdemokratisch ist, hat sich in der Vergangenheit nicht nur durch ihre neoliberale Regierungspolitik im Namen der Krisenbewältigung diskreditiert. Auch ihre Bilanz in Bürgerrechtsfragen ist wenig beeindruckend. Langjährige Versprechen, wie die gleichgeschlechtliche Ehe oder das ius soli, also die Staatsbürgerschaft für in Italien geborene Kinder von Migrantinnen, wurden nie umgesetzt. Im Gegenteil: Der letzte Innenminister aus den Reihen des PD, Marco Minniti, prahlte sogar damit, die Fahrten der Migranten über das Mittelmeer zu erschweren.
Aber auch viele fortschrittliche Italienerinnen, die ihre Anliegen schon länger in der Mainstreamdebatte vermissen, scharen sich – ebenfalls wenig überraschend – dieser Tage hinter Schlein. Seit den Parlamentswahlen vom September 2022, bei denen auch Schlein einen Sitz im Abgeordnetenhaus errang, steht die rechtsextreme Giorgia Meloni an der Regierungsspitze. Schleins Vorgänger als PD-Chef, Enrico Letta, konnte oder wollte Meloni nicht herausfordern. Die zaghafte, teils geradezu ängstliche Art, mit der er der Neofaschistin begegnete, erinnerte an eine im kollektiven Bewusstsein der italienischen Linken nach wie vor gut verankerte Szene in Nanni Morettis Film Aprile aus dem Jahr 1998. Darin sieht man Moretti selbst, wie er mit wachsender Ungeduld eine Fernsehdebatte zwischen dem Ex-Kommunisten Massimo D’Alema und Silvio Berlusconi verfolgt. Da D’Alema partout nicht dazu in der Lage ist, auch nur einen Punkt zu landen, brüllt Moretti in Richtung Fernseher: »Sag’ einmal etwas Linkes!« Es scheint fast so, als hätte drei Jahrzehnte nach dem ersten Wahlerfolg des Milliardärs Berlusconi ein Großteil der Linken wieder Lust darauf, nicht mehr nur in Diskussionen auf Dinnerpartys zu reüssieren.
Die Vorwahlen für den PD-Vorsitz boten diesen Schichten eine Möglichkeit, die Selbstisolation zu beenden und über jene Sphäre hinauszugehen, die zwar verlässlich fünf bis zehn Prozent der Wählerschaft links der Sozialdemokraten versammeln konnte, aber eben auch nicht mehr. Dazu kommt, dass sie sich durch Schlein erstmals seit langem wieder politisch vertreten gefühlt haben.
Entschiedener Antifaschismus
Bevor der Parteitag des Partito Democratico Schlein am 12. März offiziell zur Vorsitzenden kürte, führte sie ihr erster Auftritt nach den Vorwahlen zu einer antifaschistischen Demonstration. Rund 50.000 Menschen versammelten sich am 4. März in Florenz. In der Woche zuvor waren Aktivisten der rechtsextremen Gruppe Casaggì, die Melonis Partei Fratelli d’Italia nahesteht, dabei gefilmt worden, wie sie linke Teenager aus dem örtlichen Michelangiolo-Gymnasium verprügelten. Nachdem die Schulleiterin daraufhin einen Brief an die Schulgemeinschaft geschrieben hatte, in dem sie die Übergriffe anprangerte und Antonio Gramscis Warnung vor »politischer Gleichgültigkeit« zitierte, wurde sie von Bildungsminister Giuseppe Valditara von der Lega brüsk zurechtgewiesen. In Anbetracht der Politisierung des Unterrichts könnte er dazu gezwungen sein, »Maßnahmen zu ergreifen«.
Schleins Teilnahme an der Kundgebung gegen die Einschüchterungsversuche der Rechtsextremen unterstrich ihre entschiedene Haltung. Auffällig war: Sie nahm an der Kundgebung zusammen mit Maurizio Landini vom Gewerkschaftsdachverband CGIL und dem Vorsitzenden der Fünf-Sterne-Bewegung, Giuseppe Conte, teil. Conte war in den letzten Monaten sichtlich darum bemüht, die »soziale« Agenda seiner Partei hervorzuheben, und schwang sich jüngst wortreich zum Verteidiger der Arbeitslosenunterstützung auf, die Meloni in ihrer jetzigen Form abzuschaffen plant. Seine Strategie bewahrte die Partei schon letzten Herbst vor einem völligen Absturz, im Winter überholte die Fünf-Sterne-Bewegung in Umfragen kurzfristig sogar den PD, bis dieser nach Schleins Kür wieder auf dem zweiten Platz landete. Die beiden Parteien sprechen zwar gerne von ihrer gemeinsamen Basis, doch in vielerlei Hinsicht bereiten sie sich auch gegenseitig Kopfschmerzen: Die einkommensschwächere Wählerschaft aus dem Süden, die die Fünf-Sterne-Bewegung hinter sich versammelt, ist nämlich genau jenes Reservoir, das Schlein gewinnen möchte.
Regierung oder Opposition
Zweifelsohne grenzt sich Schlein weit schärfer als ihr Vorgänger beim Partito Democratico von Meloni ab. Und tatsächlich hat ihre Agenda eine erfrischend konventionelle Spaltung zwischen links und rechts im Land neu etabliert. Anstatt vom PD als führender »antipopulistischer« Kraft spricht sie von einer Veränderung der Schwerpunkte. Freilich: In vielen Fragen wird sie es schwer haben – die hegemonialen Positionen der Partei zu verändern ist nicht leicht; schon gar nicht dann, wenn von außen der Druck sowohl der Fünf-Sterne-Bewegung als auch jener der liberal-zentristischen Kräfte um Renzi und seinen ehemaligen Wirtschaftsminister Carlo Calenda wächst.
»keine Partei verteidigte das in den letzten drei Jahrzehnten verfolgte Wachstumsmodell so hartnäckig wie der PD. Und das, obwohl die Löhne in Italien in den letzten Jahren gesunken sind und das Beschäftigungsniveau neben dem griechischen nach wie vor das niedrigste in der gesamten EU ist.«
Renzi und Co werfen Schlein mittlerweile regelmäßig vor, den PD zu einer Art Fünf-Sterne-Bewegung 2.0 machen zu wollen – nicht zuletzt aufgrund ihrer Haltung zum Ukraine-Krieg. Schlein, eine Pazifistin, hat früh deutlich gemacht, dass sie jede weitere militärische Unterstützung für die Ukraine mit – noch nicht näher definierten – europäischen Initiativen für eine Friedenslösung verbinden will. Es drängt sich der Eindruck auf, dass sie mit dieser zweischneidigen Positionierung sowohl die Unterstützer Wolodymyr Selenskyjs als auch die relativ große italienische Friedensbewegung, zu der nicht zuletzt weite Teile der katholischen Bevölkerung gehören, ansprechen will. Es liegt auf der Hand, dass sich die Auseinandersetzung um diese Frage zuspitzen wird.
Schleins Botschaft der Erneuerung ist aber bei weitem nicht als Absage an alles Bisherige zu verstehen. Darauf verweist schon der starke Rückhalt, den sie unter den Spitzenfunktionären ihrer Partei genießt. Für sie stellt Schlein nicht die kantige Oppositionsführerin dar, sondern in erster Linie die Hoffnung auf die nächste Premierministerin. Sollte die Regierung Meloni, was in Italien nicht unüblich ist, ihre Mehrheit verlieren und die Geschäfte an eine Expertenregierung übergeben müssen, wird sich weisen, ob sich der PD wie eh und je am parlamentarischen Ränkespiel beteiligt oder ob er sich tatsächlich an die Spitze einer alternativen politischen Entwicklung stellt.
Verlorenes Vertrauen
Gewiss steht Schlein noch ganz am Anfang. Es ist schwer vorherzusagen, wie schnell sie ihre inhaltlichen Vorstellungen in der Partei durchsetzen können wird. Der Umstand, dass Bonaccini, wenn auch in einer eher untergeordneten Rolle, Teil der Parteiführung bleibt, deutet nicht auf einen strammen Linkskurs hin. Generell ist es Schlein bislang nicht gelungen, die interne Aufstellung der Partei zu ihrem Vorteil zu verändern. Im Vergleich zum vergangenen Herbst ist das Team des Partito Democratico nahezu unverändert geblieben.
Zugleich traten in den zwei Wochen nach ihrem Sieg rund 10.000 Neumitglieder in den PD ein. Das ist zwar nicht wenig, eine Schubumkehr nach Jahren, in denen man massenhaft Mitglieder verloren hat, sieht allerdings anders aus. Einen Erfolg kann sich Schlein zumindest an die Fahne heften: Die Umfragewerte des PD stiegen mit ihrer Ernennung gleich einmal von 15 auf 20 Prozent.
Fest steht: Eine fortschrittlichere Person hat es an der Spitze des Partito Democratico seit seiner Gründung nicht gegeben. Ob es Elly Schlein gelingen kann, verlorene Wählerinnen wieder in den politischen Prozess zu integrieren, ist dagegen nicht entschieden. Ihre Botschaft mag aufrichtig sein, die Gefahr, dass sie damit zwar andere Linke erreicht, aber nicht jene Millionen mobilisieren kann, die von der Partei lange Jahre ignoriert worden sind, ist aber groß. Schließlich verteidigte keine Partei das in den letzten drei Jahrzehnten verfolgte Wachstumsmodell so hartnäckig wie der PD. Und das, obwohl die Löhne in Italien in den letzten Jahren gesunken sind und das Beschäftigungsniveau neben dem griechischen nach wie vor das niedrigste in der gesamten EU ist. Die Zuspitzung auf das Duell mit Meloni und ihrer reaktionären Regierung wird es Schlein erleichtern, ihre Argumente starkzumachen. Offen ist, wie viele gewöhnliche Arbeiterinnen und Arbeiter noch dazu bereit sind, zuzuhören.
Aus dem Englischen von Samuel Stuhlpfarrer.
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