Öko-Umschau
von David Mayer
Theorien, Konflikte, Begriffe, Methoden
EUR 45,00 (AT), EUR 45,00 (DE), CHF 58,50 (CH)
Die Politische Ökologie ist ein Forschungsgebiet, das die »Verwobenheiten von ökologischen und polit-ökonomischen Prozessen sowie das wechselseitige Verhältnis von Gesellschaft und Natur« ausleuchtet. Es gibt sie seit den 1970er-Jahren, sie hat verschiedene Stränge und Referenzen. Unter dem Eindruck der Klimakrise jedoch ist sie in den letzten Jahren zu einem äußerst regen Feld geworden – in gewissem Sinne ist sie die kritische Gesellschaftswissenschaft unserer Zeit. Im deutschen Sprachraum wird sie institutionell unter anderem im Netzwerk Politische Ökologie greifbar, und eben dieses hat nun das erste deutschsprachige Handbuch Politische Ökologie vorgelegt. Es ist jenes Hilfs-, Arbeits- und Orientierungsmittel, auf das alle, die sich für die ökologische Frage intellektuell oder politisch interessieren, gewartet haben dürften.
Die weite Umschau, die das Handbuch bietet, gliedert sich in vier große Abschnitte: Theorien, Konzepte und Zugänge; Handlungs- und Konfliktfelder; Begriffe; sowie Methoden und Arbeitsweisen. Alle zentralen Begrifflichkeiten der Diskussionen der letzten Jahre – von Degrowth über (Neo-)Extraktivismus über imperiale Lebensweise, Materialität der Natur hin zu sozial-ökologischer Transformation – kommen vor, werden konzise und mit weiterführender Literatur von insgesamt 56 Autoren und Autorinnen eingeführt. Auffällig wird an den Texten, welche Einflüsse die deutschsprachige Politische Ökologie in ihrer eigenen Entwicklung aufgenommen hat: die Betonung der »Nichtneutralität« ökologischer Krisen im Sinne einer Einbettung in Macht- und Ungleichheitsverhältnisse innerhalb von Gesellschaften, aber auch zwischen Weltregionen. Den »intersektionalen« Charakter, also die notwendige Mitbeachtung vergeschlechtlichter und rassialisierter Dimensionen in allen ökologischen Fragen. Zuletzt ein sich verschiebendes Verständnis des Verhältnisses von »Umwelt« und »Mensch« überhaupt – während der ursprüngliche Impuls die »Politisierung der Umwelt« (bzw. von »Umweltproblemen«) war, wird heute, auch unter dem Einfluss des Neuen Materialismus, die Verschränkung menschlicher und nichtmenschlicher Natur betont.
Das Handbuch Politische Ökologie ist umfassend, aber nicht allumfassend. Wie die Herausgeber im Vorwort betonen, handelt es sich um keine Enzyklopädie, vielmehr wird der Stand wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Debatte im deutschsprachigen Raum dokumentiert. So ist die Abwesenheit historischer Perspektiven auffallend, während diese in der Political Ecology des anglophonen Raums eine zentrale Rolle spielen (z. B. bei Jason W. Moore oder Andreas Malm). Ähnlich abwesend ist die in anderen Weltregionen intensiv geführte Diskussion um ein »Geoengineering von links«. Schließlich kommen auch Gewerkschaften – abgesehen von einem lesenswerten Beitrag zu Industrieller Politischer Ökologie – auf den fast 600 Seiten nur sporadisch vor. Dies spiegelt die fortgesetzte Fremdheit der beiden Welten wider, auch wenn eine sozial-ökologische Transformation ohne die in der Produktion Arbeitenden kaum zu machen sein wird.
Dies sind freilich weniger Mängel als Zonen, in die die Diskussion noch ziehen kann. Für jede intellektuelle und politische Verschiebung der Standpunkte braucht man indes eine gute kartografische Erschließung bisheriger Debatten, die, wie alle guten Karten, Detail und Überblick verbindet. Das Handbuch erfüllt diesen Zweck hervorragend. Und geht einem auf allen Wegen und in allen Lebenslagen buchstäblich zur Hand – auch dem auf der Verlagsseite frei zugänglichen PDF sei Dank.
Ihre Spende für kritischen Journalismus
Linker Journalismus ist unter Druck. Zumal dann, wenn er die schonungslose Auseinandersetzung mit den herrschenden Verhältnissen profitablen Anzeigengeschäften vorzieht. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie es uns, kritische Berichterstattung auch angesichts steigender Kosten in gewohnter Form zu liefern. Links und unabhängig.