Die Rückkehr
des Faschismus

von Benjamin Opratko

Illustration: Dani Maiz

Der Faschismus lebt als rhetorischer Kampfbegriff wieder auf. Droht er tatsächlich eine reale politische Kraft im 21. Jahrhundert zu werden?


2752 wörter
~12 minuten

Am 11. November 2023 versprach Donald Trump seinen Anhängern: »Wir werden die Kommunisten, Sozialisten, Faschisten und linksradikalen Verbrecher ausrotten, die wie Ungeziefer in den Ritzen unseres Landes leben.« Die größte Gefahr für die USA gehe nicht vom Ausland aus, sondern sei im Inneren zu finden: »Sie werden alles tun, ob legal oder illegal, um Amerika und den amerikanischen Traum zu zerstören.« Die Rede verfehlte nicht ihren Zweck, sie brachte dem voraussichtlichen republikanischen Kandidaten für die kommende US-Präsidentschaftswahl landesweite Berichterstattung und Airtime auf allen Kanälen ein.

Wird im November 2024 ein Faschist für das Amt des US-Präsidenten kandidieren? Die Frage, ob es sich bei Trump um einen Faschisten handelt, begleitet seine politische Karriere seit seiner ersten Präsidentschaftskandidatur 2015/2016. Neue Dynamik erhielt sie am 6. Jänner 2021, als seine Anhänger das Kapitol in Washington stürmten. Der renommierte Historiker Robert Paxton, eine Koryphäe der Faschismusforschung, veröffentlichte wenige Tage danach einen Kommentar mit dem Titel: »Ich habe gezögert, Donald Trump einen Faschisten zu nennen. Bis jetzt«. Trumps Aufruf zur Gewalt, sein Anstacheln des Mobs, um ein demokratisches Wahlergebnis außer Kraft zu setzen, erinnerten ihn an faschistische Mobilisierungen der 1930er-Jahre. Die Bezeichnung »faschistisch« für Trump sei nun nicht mehr bloß nachvollziehbar, sondern notwendig.

Die Rede vom Faschismus beschränkt sich freilich nicht auf die Vereinigten Staaten. Seit vielen Jahren schon sind oder waren in praktisch allen Weltgegenden autoritäre Politiker an der Macht, die so bezeichnet wurden. Eine kleine Auswahl: Jair Bolsonaro in Brasilien, Rodrigo Duterte auf den Philippinen, Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei, Narendra Modi in Indien, Abdel Fattah el-Sisi in Ägypten, Benjamin Netanjahu in Israel, Viktor Orbán in Ungarn, Matteo Salvini und Giorgia Meloni in Italien. Demnächst wird sich der Argentinier Javier Milei einreihen. In der Ukraine wurde mit »Raschismus« ein eigens geschaffenes Kofferwort für den »russischen Faschismus« in die offizielle Staatsdiktion übernommen – nicht zuletzt als Reaktion auf die Behauptung Putins, in der Ukraine einen »antifaschistischen« Kampf gegen »Nazis« zu führen. Und auch im Deutschen ist das Wort in die politische Auseinandersetzung zurückgekehrt. Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke darf seit 2019 per Gerichtsbeschluss »Faschist« genannt werden, der FPÖ scheint es unter Herbert Kickl zumindest weniger wichtig zu sein, den Eindruck der Faschismusnähe zu zerstreuen. Bisweilen taucht der Begriff an unerwarteter Stelle auf. Dem grünen Vizekanzler Werner Kogler erschien im Sommer die Kampagne des eigenen Koalitionspartners ÖVP »präfaschistoid«, eine Wortkreation, die mit ihrer doppelten Abschwächung (erst »prä-«, dann nur »-oid«) wohl dazu dienen sollte, maximale moralische Empörung mit minimalen Konsequenzen für das eigene Verhalten zu vereinen.

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