Lebensbild voller Farben

Erinnerung und Gegenwart liegen nur ein Panel voneinander entfernt. Zwei Kinder beugen sich über eine am Boden liegende junge Frau. Es ist ihre Mutter. Nur wenige Tage nach der Befreiung von Bergen-Belsen im Mai 1945 stirbt sie vor den Augen ihrer Kinder. Das Mädchen, Emmie, ist gerade einmal siebeneinhalb Jahre alt.

2020 trifft die deutsche Comiczeichnerin Barbara Yelin, bekannt unter anderem durch ihren preisgekrönten Comicroman Irmina (2014) über eine von ihrer Großmutter inspirierte Figur und deren Verstrickungen während des Nationalsozialismus, die inzwischen über 80-jährige Emmie Arbel in ihrem Wohnort in Haifa. »Vielleicht hätte sie überlebt. / Denn ich weiß, dass sie ihr ganzes Essen mir gab.« Während Arbel von ihren Erfahrungen in den deutschen Konzentrationslagern erzählt, sieht man durch das Fenster in den Garten, wo ihre Tochter Michal Obst aufsammelt. Der bittere Schmerz und die paradoxe Scham, die Überlebende heute noch überkommen, sind in solch aufeinanderfolgenden Bildern präzise eingefangen.