In den frühen Morgenstunden des 9. November 2020 stürmten Spezialeinheiten von Polizei und Verfassungsschutz 60 Privatwohnungen, Vereins- und Geschäftslokale in ganz Österreich. Der damalige Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erklärte die Operation Luxor noch am selben Tag bei einer Pressekonferenz zu einem erfolgreichen »Schlag gegen Extremismus und Terrorismus«. Erst eine Woche zuvor hatte ein Sympathisant des »Islamischen Staats« in der Wiener Innenstadt vier Menschen getötet, Nehammer konnte sich nun als Mann der raschen Tat inszenieren.
Farid Hafez saß zu diesem Zeitpunkt gerade noch auf einem Wiener Polizeirevier. Polizisten der Sondereinheit Wega hatten um fünf Uhr Früh seine Haustüre aufgebrochen, seine Kinder mit angelegten Gewehren aus dem Schlaf gerissen und begonnen, Dokumente, Computer und Festplatten zu sichern. Gesucht wurden Beweise unter anderem für die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung. Drei Jahre später ist von diesen Vorwürfen nichts übriggeblieben. Kein einziger der von der Operation Luxor Betroffenen wurde angeklagt. Die Hausdurchsuchungen wurden vom zuständigen Oberlandesgericht nachträglich für unzulässig erklärt, auch für die schon vor der Razzia eingesetzten Telefon-, Video- und akustischen Überwachungsmittel hatte der nachvollziehbare Tatverdacht gefehlt.
Der finanzielle, psychische und berufliche Schaden für die Betroffenen – allesamt Muslime in Österreich – war da aber schon angerichtet. Farid Hafez, der sich ein Jahr zuvor an der Universität Salzburg mit einer Arbeit über die Islampolitik Österreichs nach 1945 habilitiert hatte, sah nach der Operation Luxor keine Zukunft mehr im Land. Er übersiedelte in die USA. Das nun vorliegende Buch ist der Versuch, das Geschehene aufzuarbeiten: Wieso wurde eine so umfangreiche Operation auf derart schwachem Fundament durchgeführt? Wer ist für diesen Skandal verantwortlich? Antworten können dabei auf drei Ebenen gefunden werden. Die erste ist jene der nationalen Politik: Die Operation war Teil einer politischen Strategie des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP), aus einer Anti-Islam-Politik Wahlerfolge zu generieren. Die zweite betrifft die Welt der Diplomatie und Geheimdienste: Offenbar dienten die Ermittlungen in Österreich auch Interessen aus Kairo, Dubai und Tel Aviv. Die dritte Ebene ist eine Provinzposse mit einem Hanswurst namens Heiko Heinisch in der Hauptrolle: Heinisch, ehemals linksautonomer Eiferer für die bedingungslose Israelsolidarität, hatte den Behörden mit seiner Partnerin Nina Scholz verfasste Gutachten über die Muslimbruderschaft und die türkische Millî-Görüş-Bewegung vorgelegt. Sie dienten dann den Razzien als inhaltliche Grundlage. Blöderweise können die beiden weder Arabisch noch Türkisch, die Dokumente strotzen vor Fehlern, Auslassungen und Unkenntnis, wie im Band der Beitrag von Thomas Schmidinger, der sonst kein Fan der Arbeiten von Hafez ist, detailreich zeigt.
Das Buch ist natürlich einseitig. Sein Herausgeber ist zugleich der prominenteste Betroffene der Operation Luxor, die rechtliche Einordnung des Falles nimmt sein Strafverteidiger vor. Nicht alle Beiträge sind gleichermaßen lesenswert. Bei manchen steht die Empörung der analytischen Differenzierung im Weg. Um den Band mit Gewinn zu lesen, muss man wissen, welchem Genre er zuzuordnen ist. Es handelt sich um ein Dokument intellektueller Selbstverteidigung, das sich gegen die epistemische, politische, juristische und polizeiliche Gewalt der Islamfeindlichkeit stemmt.
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