Die Ente gewinnt

von Andrea Heinz

500 wörter
~2 minuten
Die Ente gewinnt
Lucy Cooke
Bitch
Ein revolutionärer Blick auf Sex, Evolution und die Macht des Weiblichen im Tierreich
Aus dem Englischen von Susanne Warmuth und Jorunn Wissmann, Malik-Verlag, 2023, 432 Seiten
EUR 22,70 (AT), EUR 22,00 (DE), CHF 30,40 (CH)

Er war einer dieser »großen Männer«, die die Selbstgewissheiten der Menschheit erschütterten: Charles Darwin, der seinen Mitmenschen die ernüchternde Botschaft überbrachte, dass sie nicht von Adam und Eva, sondern von Affen abstammten. Worin Darwin seiner mehrheitlich männlichen Leserschaft aber durchaus entgegenkam, war die Behauptung, dass es eine wissenschaftlich nachweisbare und folglich, wenn schon nicht gottgegebene, so zumindest »natürliche« Geschlechtsaufteilung gäbe. Zufälligerweise entsprach sie ziemlich genau den Vorstellungen des viktorianischen Englands: hier die schwachen, passiven, an Sex wenig, an Häuslichkeit und Nachwuchs umso mehr interessierten Weibchen, dort die aktiven, virilen Männchen, die nur ein Ziel haben – überall ihren Samen verteilen, was sonst.

Wie wenig das den Tatsachen und den vorhandenen Daten (die teils bereits Darwin vorlagen) entspricht, zeigt Lucy Cooke in ihrem enorm empfehlenswerten Sachbuch Bitch. Ein revolutionärer Blick auf Sex, Evolution und die Macht des Weiblichen im Tierreich. Zu Darwins Zeiten wäre Cooke, die Zoologie in Oxford studierte und als Dokumentarfilmerin und Moderatorin arbeitet sowie unter anderem für die New York Times schreibt, mit diesem Buch wohl auch eine »große Frau« geworden. Aber die Zeiten der einsamen Genies sind zum Glück vorbei. Cooke lässt auch zahlreichen Evolutionsbiologinnen und anderen Forscherinnen, die als Frauen oft noch gegen Widerstände kämpfen mussten, die Ehre zukommen, die ihnen gebührt. Und zeigt mit einer überwältigenden Datenlage, dass die allgemeinen Vorstellungen über Sex und Gender in Evolution und Biologie falscher nicht sein könnten: In schillernden Farben präsentiert sie mutige, mächtige Weibchen aller möglichen Arten. Da gibt es natürlich den sexuellen Kannibalismus, berühmt-berüchtigt durch die Gottesanbeterin – die aber bei weitem nicht das einzige Weibchen im Tierreich ist, das das Männchen nach der Begattung tötet und manchmal sogar verspeist. Und das ganz im Sinne des Nachwuchses, der ja Nährstoffe braucht, also völlig in Einklang mit der Evolution und sogar mit dem Bild der guten Mutter.

Dass es auch anders geht, Weibchen im Tierreich wahrlich nicht immer selbstlose Mütter sind, auch Möglichkeiten zur Geburtenkontrolle haben, beschreibt Cooke ebenso wie die geradezu fabelhafte Fähigkeit, durch labyrinthartig geformte Vaginen zu bestimmen, welches der begattenden Männchen das Weibchen am Ende befruchten darf. Wer das nächste Mal eine Ente im Park sieht, die von einer Horde Erpel gegen ihren Willen bestiegen wird, denke daran: Am Ende sitzt die Ente am längeren Hebel! Andere Weibchen dagegen können überhaupt nur begattet werden, wenn sie das auch selber wollen – ihre körperliche Ausstattung erlaubt es nicht anders. Beneidenswert.

Ganz nebenbei entlarvt Cooke die Borniertheit mancher Menschen: Im Tierreich gibt es Regenbogenfamilien, Weibchen, die sich ohne jegliches männliche Zutun fortpflanzen und allerlei Individuen, die – oft mehrmals während ihres Lebens – das Geschlecht wechseln. Dazu gehört übrigens auch der putzige Clownfisch, besser bekannt als Nemo. Es macht großen Spaß, Cooke auf ihrem ausgedehnten Streifzug durch die bunte, diverse Tierwelt zu folgen. Und bereitet durchaus eine gewisse Genugtuung.

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