Warten vor der Wende

von Nina Strasser

Fotos: Nina Strasser

35 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und 75 Jahre nach Gründung der DDR sind die selbstgebauten Buswartehäuschen des Arbeiter- und Bauernstaates rar geworden. Ein Foto-Essay.

In der DDR besaß jedes Dorf ein einzigartiges Buswartehäuschen – erbaut von den Bewohnerinnen und Bewohnern aus Beton, Holz oder (Well-)Blech, ausschließlich Material, das anderswo übrig geblieben war. Charakteristisch waren die schrägen Seitenwände, doch bestach jede Haltestelle durch individuelle Architektur, manche durch Details wie Malereien, Fließen und/oder verglaste Fenster. Heuer, 35 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und 75 Jahre nach Gründung der DDR, sind nur wenige der Ein-Raum-Bauten an der Straße übrig geblieben. Die in den Jahren 2013/14 und 2021 entstandene Fotoserie Is Wardn (»das Warten«) erinnert an sie.

Warten galt als ein Merkmal des Lebens im kommunistischen Staat. Für seltene Produkte stand man vor Lebensmittelgeschäften an. Um einen Kleinwagen zu erhalten, hieß es, habe man sich mindestens zehn Jahre zu gedulden. War der Trabant einmal geliefert, sorgten die Erdölknappheit oder das Fehlen von Ersatzteilen dafür, dass die Menschen weiterhin auf öffentliche Nahverkehrsmittel angewiesen waren. Für die Arbeitswege in den Städten nahm man um günstige 20 Pfennig zumeist die Tatra-Straßenbahn, im ländlichen Bereich den Ikarus-Bus. Das Nahverkehrssystem zwischen Rügen und Erzgebirge galt im Vergleich zum Westen als fortschrittlich, wenngleich Straßen und Schienen in schlechtem Zustand waren.

An kaum einem der wenigen noch erhaltenen Wartehäuschen hält heute noch ein Bus, der überwiegende Teil wurde – wenn überhaupt – durch gut einsehbare Konstruktionen aus Glas und Stahl ersetzt. Nur vereinzelt bewahren Einheimische die DDR-Relikte aktiv vor dem Abriss. 2020 kämpften die Bürgerinnen und Bürger von Kummerow, einem Ortsteil der Stadt Schwedt an der Oder, erfolgreich für den Verbleib ihres Wartehäuschens, das einer Einstiegshilfe hätte weichen sollen. Heuer bejubelte man in der kreisfreien Stadt Jena zwei zwölfjährige Mädchen dafür, eine alte Haltestelle eigenhändig renoviert zu haben. Das Wartehäuschen der Station Mukran Mitte auf Rügen erhielt im Jubiläumsjahr sogar Denkmalschutz.

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