Die Bodenbeschaffenheit ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen für unser komplexes Ökosystem. Das Material Erde bestimmt in der hier gezeigten Arbeit von Dries Segers beides, den Inhalt und die Form – wofür der belgische Künstler unterschiedliche kameralose, aber fotografische Verfahren aus kontaminierter Erde entwickelt hat. Ausgangspunkt für Soil Map (Industry, Port of Antwerp) (2014) war der Skandal um mit Ewigkeitschemikalien kontaminierte Erde im Umfeld eines Chemiewerks des weltweit agierenden Technologiekonzerns 3M in Zwijndrecht, unweit von Antwerpen, der im September 2021 öffentlich geworden ist.
Die chemischen PFAS-Verbindungen (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) sind aufgrund vielseitiger Eigenschaften – sie wirken unter anderem fett-, schmutz- und wasserabweisend – in zahlreichen Produkten enthalten. Einmal ausgebracht, sind sie kaum mehr abbaubar und gelangen über Luft und Böden in die Nahrungskette. Aufgrund der nachgewiesen hohen Belastung des Bodens mit PFAS-Verbindungen rund um das 3M-Werk, einer für das Auge unsichtbaren Kontamination, verbot die belgische Regierung den Anwohner:innen, Gemüse aus eigenem Anbau oder die Eier ihrer Hühner zu verzehren. Diesem Gebiet, unter anderem am Flussufer der Schelde, hat Dries Segers unterschiedlich belastete Erde entnommen und deren chemische Reaktionen mithilfe eines biologischen Entwicklers (der im Unterschied zu konventionellen Fotoentwicklern keine Giftstoffe enthält) auf dem Negativ oder auf Papier festgehalten.
Für die aus diesem Verfahren entstandenen Arbeiten hat er den Begriff »Mudgram« entwickelt, zusammengesetzt aus den englischen Wörtern »mud« und »(photo-)gram«. Lesbar sind hier beispielsweise die kleinen Punkte der Sandkörner oder die kantigen Texturen, die den Abdruck kleinster Plastikteilchen bilden – diese können einem einzelnen Logistikunternehmen, Katoen Natie, das 0,5 Prozent seiner Fracht unter anderem durch den Wind verliert, zugeordnet werden. Die orange und rosa changierenden Farben bilden die chemischen Reaktionen der PFAS-Verbindungen ab und visualisieren zugleich den Boden als Träger der vom Menschen verursachten multiplen ökologischen Krisen.
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