Gleich zwei ernstzunehmende linke Angebote standen beim gestrigen Urnengang in Österreich zur Wahl: eine SPÖ, die unter Andreas Babler deutlich weiter links positioniert war als bisher, und die bei den bisherigen Wahlen in diesem Jahr äußerst erfolgreiche KPÖ. Am Ende konnte keines der beiden Projekte reüssieren. Während die KPÖ doch recht deutlich – Stand heute, Montag; die Auszählung der Wahlkarten ist noch offen – mit 2,4 Prozent den Einzug in den Nationalrat verpasste, brachte der Wahlabend für Andreas Bablers SPÖ eine bittere Niederlage. Nur mehr 21,1 Prozent, noch einmal 0,1 Prozentpunkte weniger als 2019, wählten diesmal sozialdemokratisch. Das Match um Platz eins entschied die FPÖ für sich. Mit fast 29 Prozent, um noch einmal fast zwei Prozentpunkte mehr als im Jahr 1999, erreichte die rechtsextreme Partei ihr historisch bestes Ergebnis, deutlich vor der ÖVP mit 26,3 Prozent.
Dreikampf war ein Hirngespinst
Der Dreikampf um den ersten Platz, an den man in der Löwelstraße bis zuletzt zu glauben vorgab, erwies sich als Hirngespinst – aus vielerlei Gründen. Am wenigsten ist das Ergebnis dem SPÖ-Chef selbst anzulasten, an Leidenschaft und Leidensfähigkeit überragte Babler alle anderen Spitzenkandidaten in dieser Wahlauseinandersetzung bei weitem. Vorzuhalten ist ihm allerdings, dass er die Zeit seit seiner Wahl zum Parteivorsitzenden vor eineinhalb Jahren nicht genutzt hat, um die SPÖ politisch und organisatorisch auf Linie zu bringen. Der erwartbare Gegenwind eines großen Teils der österreichischen Medienlandschaft ist die eine Sache, eine andere ist es, wenn die eigene Kampagne von erheblichen Teilen der Partei konterkariert und hintertrieben wird.
Einmal mehr zeigte sich am Sonntag, wie sehr die Ergebnisse in den ländlichen Gemeinden von jenen in den großen Städten abweichen. Erreichte die SPÖ in den Städten fast 25 Prozent, so waren es in den Landgemeinden nicht einmal 18 Prozent. Umgekehrt holte die FPÖ auf dem Land 32,5 Prozent, während sie in den Städten »nur« 25,4 Prozent erreichte. Über die Gründe dafür, dass »der rechte Kampf für die Freiheit des Einzelnen« gerade in den ländlichen Regionen erfolgreich verfängt, schreibt Grace Oberholzer in unserem aktuellen Heft.
Enttäuschte KPÖ
Für die KPÖ ist das Ergebnis gerade nach den fulminanten Erfolgen in Salzburg und Innsbruck eine Enttäuschung. Auch sie blieb vor allem auf dem Land (1,6 Prozent) weit hinter den Erwartungen zurück. In den Städten – 6,04 Prozent in Graz, 6,18 in Salzburg, 3,8 Prozent schließlich in Wien – deutet wiederum einiges darauf hin, dass potenzielle KP-Wählerinnen und -Wähler in Richtung Babler-SPÖ gewandert sind. Für die steirische KPÖ, die in zwei Monaten eine Landtagswahl zu schlagen hat, geben darüber hinaus die Ergebnisse in den ehemaligen steirischen Industrieregionen Anlass zu größerer Sorge: In Judenburg, Leoben, Kapfenberg und Bruck an der Mur, wo die SPÖ durchwegs um die vier Prozentpunkte verlor, konnten die Kommunistinnen und Kommunisten kaum davon profitieren. Stattdessen gewannen die Freiheitlichen hier durchwegs bis zu 15 Prozent dazu (ein ähnliches Bild nach rechts kippender »Red Wall«-Regionen findet sich auch in allen anderen Bundesländern). Die deutlich mehr als zehn Prozent, die die letzten Umfragen der KPÖ in der Steiermark auswiesen, sie scheinen nach diesem Wahlsonntag gefährdet.
Wie es um einen Einzug der KPÖ (wohl im Bündnis mit der Liste LINKS) in den Wiener Landtag, der im kommenden Jahr neu gewählt wird, steht, ist aus heutiger Sicht schwer zu beantworten. Vieles wird auch davon abhängen, ob dann im Bund eine blau-schwarze Koalition regiert oder eine neu aufgelegte ÖVP/SPÖ-Koalition, nicht notwendigerweise unter Neos-Beteiligung. Letztere würde die Chancen für die Linke freilich erhöhen.
Tendenz zur großen Koalition
Anzunehmen ist, dass in den kommenden Tagen und Wochen die Schienen in Richtung einer solchen großen Koalition gelegt werden (ausführlicher über die anstehende Regierungsbildung im Zeichen der FPÖ-Verhinderung schreibt übrigens meine Kollegin Sonja Luksik in unserem am Donnerstag erscheinenden neuen Heft). In der SPÖ ist man dafür jedenfalls offen. Darauf deuten nicht nur die Aussagen der SP-Granden Michael Ludwig und Peter Kaiser hin. Andreas Babler selbst hat bereits am Wahlabend angekündigt, alles zu tun, um eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern. Das mag gewiss daran liegen, dass der SPÖ-Vorsitzende den innerparteilichen Druck unmittelbar spürt, es zeigt aber auch, dass man in der Löwelstraße strategisch nach wie vor nicht über die Dauer einer Legislaturperiode hinauszudenken imstande ist.
Klar ist, dass Bablers politisches Projekt einer erneuerten SPÖ mit einer Zusammenarbeit mit der ÖVP seinen fortschrittlichen Charakter einbüßen würde. Ob er selbst überhaupt Teil einer sozialdemokratischen Regierungsmannschaft wäre, werden ohnehin erst die kommenden Tage zeigen; ob die ÖVP der SPÖ zumindest eine Handvoll symbolischer Verhandlungserfolge zugestehen wird, die kommenden Wochen. Unwahrscheinlich ist es nicht, schließlich sichert nur diese Variante der ÖVP das Kanzleramt.
In welche Höhen eine solche »Koalition der Verlierer« die FPÖ in fünf Jahren tragen wird, man mag es sich nicht ausmalen.
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