Langes Warten

Zunächst die gute Nachricht: Menschen in Österreich leben laut Gesundheitsministerium heute im Schnitt sieben gesunde Lebensjahre länger als noch 1991. Doch Gesundheit und Lebenserwartung sind an sozioökonomische Faktoren gekoppelt, Menschen mit kleinen Einkommen leben im Vergleich zum Durchschnitt weniger lang in guter Gesundheit. Sie sind es, die besonders auf ein gut ausgebautes öffentliches Gesundheitssystem angewiesen sind, da die Privatpraxis außerhalb der finanziellen Möglichkeiten liegt. Für viele bedeutet das mittlerweile lange Wartezeiten bis zu einem Behandlungstermin.

Die Wiener Ärztekammer hat 2024 eine Studie in Auftrag gegeben, bei der Terminanfragen an 850 Kassenärzt:innen unterschiedlicher Fachrichtungen gestellt wurden. Der Vergleich mit der zuletzt 2012 durchgeführten Studie zeigt drastische Verschlechterungen bei der Wartezeit für einen Arzttermin. Bei einer neurologischen Facharztpraxis wartete man 2012 im Mittel 33 Tage, 2024 sind es bereits 45 Tage. Dagegen wirken zehn Tage Wartezeit auf eine HNO-Untersuchung geradezu kurz. Dazu kommt, dass viele Praxen überhaupt keine neuen Patient:innen mehr aufnehmen. Mehr als die Hälfte der kontaktierten Kinderärzt:innen und gut 30 Prozent der Allgemeinmediziner:innen lehnten die Anfragen ab. Die Herausforderungen für das Gesundheitssystem sind auch vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung groß. Expert:innen empfehlen daher eine Fokusverschiebung von der Therapie hin zu Prävention und Vorsorge. Denn im internationalen Vergleich sind die Gesundheitsausgaben in Österreich pro Kopf überdurchschnittlich hoch, jene für Prävention indes unter dem Schnitt. Auch den gravierenden Mangel an Kassenstellen und die zunehmende Zwei-Klassen-Medizin wird die kommende Regierung anpacken müssen. Denn die medizinische Versorgung der Bevölkerung darf nicht von der Geldbörse abhängen.