Meeresmetaphern
von Evelyn Bubich

EUR 12,95 (AT), EUR 12,00 (DE), CHF 18,50 (CH)
In einer Sammlung lyrischer Miniaturen, Skizzen, Listen, die sich maritimen Begriffen und Metaphern nähern, wird das Feld experimenteller Lyrik seziert wie ein Körper, gepeitscht von Wind(sprache), von Wellen(sprache), aber auch von ihr geleitet und geformt. Ein Körper, der den (Meeres)strömungen und Umwelteinflüssen ausgesetzt ist (und bleibt), der Rauheit der See, dem Salz, ohne das kein Leben möglich ist, wieder ausgeschieden, mitunter im Schweiß oder in einer Träne. Salzwasser, ein Urbaustein des Lebens, entzündungshemmend wie -fördernd ab zu hoher Zufuhr, ist titelgebend und ein Hinweis auf die Ambivalenz der Begegnung des lyrischen Ich mit sich selbst und der Außenwelt vor dem Hintergrund einer harschen, ungezähmten Umgebung.
»ich brachte rändern fließend zweifel, orange streifen sommerlicht«: Welche Ränder werden hier literarisch vermessen, bis zu welchen Grenzen vorgedrungen, diese fließend überschritten? Es werden Erfahrbarkeitsräume ausgelotet und stellen sich zuweilen als undurchdringbar heraus.Greta Maria Pichlers Lyrikdebütband ist fluides Sprach(kunst)inventar, das sich dem maritimen Raum als Erzähl- sowie Seelenschauplatz, Ort der Bestandsaufnahme verschreibt, in dem die Meeresmetaphern und visuellen Verknüpfungen immer auch in Beziehung mit dem Wind stehen.
Einmal ist der Text ein Floß, »(e)inen wirksamen Weg aus der Versauerung der Ozeane / Was folgt auf das Spiel / Ein verbal oder körpersprachlich ausgedrücktes ›Hallo‹ scheint immer angebracht zu sein / Was mich umgibt / Auch Feinde retten sich auf hoher See« –, ein anderes Mal ist er ein Freerideboard, das »mit 110 bis 130l« die »Wundheilung« zu »beschleunigen« vermag, und wieder an einer anderen Stelle ist er ein Boot, das droht, den Bedingungen, den Verhältnissen nicht standzuhalten, an ihnen zu zerbrechen, »dieses boot ist nicht gebaut für wellengang«.
Den einzelnen Kapiteln sind unterschiedliche Windstärken zugeordnet, die von Windstille und Flaute über leisen Zug, schwache und mäßige Brise bis zum Sturm reichen und atmosphärisch den Ton angeben. Neben selbstreflexiven Prozessen kommt es auch zur Erörterung schwieriger Beziehungssituationen: »in auseinandersetzungen liegt kein mensch am boden. in auseinandersetzungen wird weder liegen geblieben noch herumgelogen. in auseinandersetzungen sind wir noch zusammen. die elemente wasser und luft spielen keine rolle mehr.« Bereits der erste Text im Band lässt vorausahnen, dass mithilfe visuell stark aufgeladener Bilder der Begegnung als Konfrontation eine bedeutende Rolle zuteilwird, »wenn sich zwei schiffe im wasser, wenn sich zwei fische im wasser, wenn sich zwei begegnen, die immer schon da waren, sich nähern, stören sie den strom«, und auch jener mit der Natur, die zusehends in der Zerstörung endet: »zivilisationsgeräusche / es war nie still, aber anders laut. wind, wellen, sturm, regen, brechendes eis, klickgeräusche, gesang und glucksen. jetzt nur das brodelnde leider.«
Das lyrische Ich ist Beobachter:in und Protokollant:in, Aufzeichner:in, Echolot der eigenen Wassertiefe; das Meer und seine Küste spiegeln sich in der Seelenlandschaft, die zu seinem Erkundungsraum wird.
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