Die Knüppel-Doktrin

von Berthold Molden

Illustration: Lou Kiss

ROTE FÄDEN #18 | Die USA setzen ihre Interessen in der südlichen Nachbarschaft wieder verstärkt mit Gewalt durch. Damit steht die Trump-Regierung in einer langen amerikanischen Tradition.


549 wörter
~3 minuten

Vor über 200 Jahren, im Zuge der Entkolonisierung Lateinamerikas, entstand die nach Präsident James Monroe benannte außenpolitische Doktrin: Die USA erklärten sich zur Schutzmacht des ganzen Kontinents gegen koloniale Bestrebungen von außen. Ihre eigenen Kriege gegen Mexiko in den 1830er- und 1840er-Jahren ließen sich so allerdings nicht begründen, hier ging es nicht um den Schutz eines Nachbarn, sondern um die Eroberung seiner Territorien: Texas, Kalifornien, Arizona, Nevada, Utah und Teile Colorados, New Mexicos und Wyomings wechselten von einem postkolonialen Staat an den anderen. Die USA hatten nun Zugang zum Pazifik. Damit stieg auch ihr Interesse an einer Verbindung zwischen Atlantischem und Pazifischem Ozean. Ein Kooperationsvertrag mit Kolumbiens Vorgängerstaat Neugranada sicherte die US-Interessen am Isthmus und führte zu einer Reihe militärischer Interventionen gegen Bauernaufstände und Unabhängigkeitsbestrebungen.

Im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 setzten die USA die Unabhängigkeit Kubas und Puerto Ricos (die letzten spanischen Kolonialgebiete in den Amerikas) und der Philippinen durch, brachten diese damit freilich in neue Abhängigkeit, die teils bis in die Gegenwart andauert. Abermals war eine Hauptmotivation für die Intervention wirtschaftlicher Natur. Die USA mussten den entstehenden Panamakanal militärisch sichern, und dafür war Kuba strategisch ebenso unentbehrlich wie der Ausbau der Kriegsflotte. Zu den kriegstreibenden »Falken« dieser Jahre gehörte der stellvertretende Marineminister Theodore »Teddy« Roosevelt.

1901 wurde Roosevelt Präsident der USA. Seine Maxime für Lateinamerika lautete: »Sprich sanft und halte einen großen Knüppel« – also eine mit militärischer Übermacht durchsetzbare Nachbarschaftsdiplomatie, deren Zweck die US-Vorherrschaft in der Karibik gegenüber Europa war. Nachdem deutsche und britische Kriegsschiffe 1902 eine Seeblockade gegen Venezuela errichtet hatten, um Schulden einzutreiben, verschärfte Roosevelt die Monroe-Doktrin. Sie »verpflichtete« die USA nun zu Interventionen in lateinamerikanischen Ländern, um Ordnung und Stabilität zu sichern.

Diese Ordnung war natürlich mit Wirtschaftsinteressen verbunden. Längst waren neben das regionale Hauptexportgut Zucker die Kaffee- und Südfruchtplantagen der Karibik und Zentralamerikas getreten. US-Firmen waren zentrale Protagonisten der Wertschöpfung. Die United Fruit Company steht für die US-Herrschaft in den zentralamerikanischen »Bananenrepubliken« Costa Rica, Guatemala und Honduras, wo sie den Großteil der Infrastruktur –
Bahnlinien, Häfen, Straßen – und riesige Landesteile besaß und so auch die Politik dieser Länder weitgehend kontrollierte. In Guatemala war United Fruit noch 1954 am ersten lateinamerikanischen Militärputsch des Kalten Krieges beteiligt. Bald darauf folgten Brasilien, Chile, Uruguay, Argentinien und letztlich fast der ganze Kontinent, wo rechte Regime unter dem Vorwand des Antikommunismus mit Washington kooperierten. Doch die Durchsetzung privatwirtschaftlicher und strategischer Interessen mit militärischen Mitteln begann schon früher, spätestens als die USA 1912 Teile Nicaraguas besetzten.

Diese Entwicklung der USA von der Schutzmacht zum Bully der Amerikas war ein wichtiger Schritt hin zum Weltmachtstatus ab dem Zweiten Weltkrieg. Eine wüste Kombination dieser Gewaltstrategien ist auch heute erkennbar. Donald Trump lässt in Zentralamerika die Kooperation mit rechten »Eisernen Fäusten« wie dem salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele aufleben, während er im Inland die Armee gegen Andersdenkende einsetzt. Er setzt Kopfgeld auf Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro aus und schickt die Marine in jene Gewässer, die auch den von ihm beanspruchten Panamakanal umspülen. Ob Trump wohl demnächst US-Soldaten – wie 1916 auf der erfolglosen Jagd nach dem Revolutionär Pancho Villa – auch in Mexiko einmarschieren lässt?

0

    Warenkorb

    Ihr Warenkorb ist leerZurück zum Shop