Solidarität für immer

von Friz M. Trzeciak

443 wörter
~2 minuten
Solidarität für immer
Jens Kastner
Internationalismus
Kleine Geschichte einer großen Idee
Unrast, 2025, 106 Seiten
EUR 10,10 (AT), EUR 9,80 (DE), CHF 10,70 (CH)

Der Soziologe, Kunsthistoriker und TAGEBUCH-Autor Jens Kastner möchte mit einem neuen schmalen Band einen Überblick über die Geschichte des Internationalismus bieten. Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert und beginnt nicht nur mit einem Zitat von Rosa Luxemburg, sondern auch mit einem der kanadischen Hardcoreband Propagandhi. Der Einsatz dieser Zitate verweist auf die Spannbreite internationalistischer Bewegungen und Ideen: von Antikolonialismus, Kommunismus, Anarchismus, Feminismus über staatlichen Sozialismus hin zu den Zapatistas und Punk. Gleichzeitig macht er deutlich, dass Internationalismus nicht nur eine historisch bedeutsame, sondern auch eine transnationale und generationsübergreifende Referenzbewegung ist.

Entlang zentraler Ereignisse und Strömungen – der Ersten bis Vierten Internationalen, antikolonialen Bewegungen, der Neuen Linken, den Solidaritätsbewegungen, Globalisierungskritik, emanzipatorischen Identitätspolitiken, Klimakämpfen, aber auch problematischen, »entleerten« Formen – zeichnet Kastner die Entwicklung internationalistischer Kämpfe nach. Internationalismus, verstanden als »solidarische Bezugnahme auf die und die Unterstützung von Kämpfe(n) jenseits des eigenen, kollektiven nationalen Rahmens«, biete eine linke Perspektive, die antikapitalistische, antifaschistische, antikoloniale, antirassistische sowie antipatriarchale Ansprüche zu bündeln suche. Dabei sei Internationalismus stets im Plural zu denken: Seine Geschichte sei nicht nur eine der Kooperationen, sondern auch der Auseinandersetzungen.

Den roten Faden bildet die Annahme, dass die Revolution in Haiti 1804 als erstes internationalistisches Ereignis zu begreifen sei. Damit betrachtet Kastner Internationalismus nicht allein als antiimperialistisches und antifaschistisches, sondern auch und primär als antikoloniales Projekt. Konsequent lenkt er den Blick auf marginalisierte Perspektiven, darunter zentral schwarze und feministische sowie anarchistische Kämpfe. Zugleich bespricht er deren Ambivalenzen, etwa im Hinblick auf asymmetrische Geschlechterverhältnisse, die koloniale Frage, den mehr oder weniger strategischen Bezug auf die Nation, die Rechtfertigung antisemitischer Gewalt oder essentialistische Ausschlüsse.

Gerade diese Vielschichtigkeit ist eine Stärke des Buches. Es zeigt, dass Internationalismus nie eindimensional, sondern von unterschiedlichen, mitunter antagonistischen Stimmen und Ausdrucksformen getragen war. Damit vermittelt es ein lebendiges Bild davon, wie sich über Jahrzehnte und Kontinente Allianzen, Solidaritäten und Konflikte herausgebildet haben. An einigen Stellen der »kleinen Geschichte« werden die Protagonist:innen und deren Kämpfe nur angerissen; hier würden die Leser:innen sicherlich gerne mehr erfahren. Trotz der knappen Form gelingt es Kastner, komplexe und oft widersprüchliche Denkbewegungen im Internationalismus nachzuzeichnen. Er vermeidet vorschnelle Antworten und wirft Fragen auf. Zugleich positioniert er sich gegenüber autoritären Bewegungen und rückt basisdemokratische Perspektiven in den Fokus.

Das Buch erinnert an das utopische Potenzial transnationaler Ideen von Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Es macht neugierig, sich weiter mit libertären (anarchistischen und sozialistischen) Formen des Internationalismus zu befassen, die auf die Möglichkeit emanzipatorischer, solidarischer Gesellschaftsveränderung verweisen. Passend schließt das Buch mit einem Plädoyer aus Ralph Chaplins Song von 1915: »Solidarity forever«.

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