Teilzeitfalle

von Matthias Schnetzer

Illustration: Lou Kiss

DATENDRANG #18 | Die ÖVP schoss sich zuletzt auf Teilzeitbeschäftige ein. Warum das völlig verfehlt ist.


286 wörter
~2 minuten

Die Mitschuldigen für die anhaltende Wirtschaftsflaute waren schnell gefunden. Leistung lohne sich nicht mehr, denn Teilzeit sei zu attraktiv, konstatierte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP). Die tatsächlichen Gründe für Teilzeitarbeit erhebt die Statistik Austria im Rahmen des Mikrozensus. Demzufolge haben drei von vier Teilzeitbeschäftigten Betreuungspflichten für Kinder oder pflegebedürftige Erwachsene, arbeiten neben ihrer Ausbildung, finden keine Vollzeitstelle oder leiden unter gesundheitlichen Einschränkungen. Das klingt eigentlich nicht besonders attraktiv.

Knapp 80 Prozent der 1,4 Millionen Teilzeitarbeitenden sind Frauen. Sie leisten den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit, die in offiziellen Statistiken oft unsichtbar bleibt. Besonders drastisch zeigt sich das in der Kinderbetreuung. Mütter erledigen die Sorgearbeit zunächst in der Karenz und später neben ihrer Teilzeitbeschäftigung. Die Erwerbstätigkeit von Vätern bleibt von der Geburt des eigenen Kindes hingegen völlig unberührt. Ob Säugling, Kleinkind oder Schulkind: Papa arbeitet Vollzeit. Nur ein Prozent aller Väter geht länger als sechs Monate in Karenz, die Vollzeitquote der Väter liegt durchwegs bei 85 Prozent. Bei Frauen schnappt die Teilzeitfalle zu, denn die dadurch erlittenen Einkommensnachteile ziehen sich bis ins Pensionsalter.

Der Wirtschaftsminister präzisierte nach Kritik an seiner haltlosen Formulierung, es ginge um die »Lifestyle-Teilzeit«, also die grundlose Entscheidung gegen Vollzeit und für mehr Lebensqualität. Doch auch diese Wahl ist völlig nachvollziehbar, stehen lange Arbeitszeiten und Wohlergehen doch oft im Widerspruch. Österreichs Vollzeitbeschäftigte haben die drittlängsten Arbeitszeiten im EU-Vergleich und leisten jährlich zwischen 150 und 200 Millionen Überstunden, jede vierte davon unbezahlt. Das gesellschaftliche Ziel muss eine Umverteilung der bezahlten Arbeitszeit sein, die ein längeres gesundes Arbeitsleben und eine bessere Aufteilung der unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern ermöglicht.

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