Am Krater der Zukunft

von Emil Engels

Foto: Emil Engels

Serbien dient sich China, Russland und der EU als Rohstofflieferant für die Energiewende an. Den Preis dafür zahlen Mensch und Natur. Eine Reise auf den Spuren von Verwüstung und Korruption.


2495 wörter
~10 minuten

Das kleine Haus mit Garten ist im Gegensatz zu vielen anderen Häusern rundherum noch bewohnt und scheint zum Teil frisch renoviert. Von dem noch älteren Haus gegenüber ist dagegen nicht viel mehr als eine Ruine übrig. »Das war das Haus meines Urgroßvaters. Durch die Sprengungen in der Mine ist das Dach eingestürzt, und der Schadenersatz hat bei Weitem nicht gereicht, um es wieder aufzubauen«, erzählt Milan Ćosić. Im Rahmen einer Recherchereise zu Bergbau und Autoindustrie in Serbien besuchen wir ihn in seinem Heimatdorf Krivelj im Osten des Landes. Der 41-jährige Förster arbeitete zuletzt für das chinesische Bergbauunternehmen Zijin Mining, bis ihm gekündigt wurde, da er sich in der Öffentlichkeit kritisch zu den Praktiken des Konzerns geäußert hatte. Zijin betreibt seit 2018 die vormals staatliche Kupfermine von Bor – eine der größten Europas –, deren Tagebau mittlerweile bis etwa 100 Meter an Milans Haus heranreicht. Welche gigantischen Ausmaße der Krater hat, der sich vor uns auftut, können wir nur anhand der winzig wirkenden Muldenkipper erahnen, die entlang des gestuften Hangs hinauffahren. Neben dem Tagebau befindet sich ein künstlicher See in stechendem Türkis mit einigen pinken Stellen – Zeugnisse hoher Konzentrationen krebserregender Metalle wie Arsen und Kadmium, die bei der Gewinnung des Kupfers freigesetzt werden. Die Böden um die Mine sind zu verseucht, um noch Landwirtschaft betreiben zu können, weshalb angrenzende Dörfer wie Krivelj aussterben. Die meisten jungen Menschen nehmen das Geld, das ihnen Zijin für ihren Grund anbietet, die Älteren bleiben. Milan ist entschlossen, ebenfalls zu bleiben und weiterhin auf die Probleme durch den Bergbau aufmerksam zu machen, auch wenn er in ständiger Ungewissheit lebt. Weitere Renovierungen seines Wohnhauses hat Milan inzwischen aufgegeben. Denn seit sechs Jahren heißt es, dass er »nächstes Jahr« umgesiedelt werde.

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