In fast allen Punkten rechtswidrig, unverhältnismäßig und zweifelhaft – so beurteilte die Analysekommission des Innenministeriums die Polizeirazzia, welche am 27. Juli am Peršmanhof durchgeführt wurde. In Kärnten/Koroška verursachte die Razzia Risse im Guten-Klima-Narrativ der Kaiserära; brachte sie doch den Antislowenismus zutage, welcher seit Jahrzehnten die Strukturen, die Institutionen und die Gesellschaft des Landes prägt. In Restösterreich wiederum ging die Meldung mit einem Aha-Moment einher: Dort im Unterland wird also auch Slowenisch gesprochen.
Das Wissen um die sechs (oha!) autochthonen Volksgruppen ist in der Mehrheitsbevölkerung meist gering. Dabei verdankt Österreich den Volksgruppen doch die Zweite Republik! Nach dem Zweiten Weltkrieg sah sich das Land genötigt zu beweisen, dass es einen eigenen Beitrag zur Befreiung vom Nationalsozialismus geleistet hatte. Da kann ihm der organisierte, bewaffnete Widerstand der kärntner-slowenischen Partisan:innen gerade recht. Durch Interventionen Jugoslawiens wurde dieser dann auch zum Anlass für den Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrags, in welchem die Rechte der slowenischen und kroatischen Volksgruppen verankert sind. Der Artikel 7 beinhaltet unter anderem das Recht auf eigene Organisationen, zweisprachige topografische Aufschriften, Medien und Bildung in der Erstsprache, die Verwendung der Erstsprache vor Gerichten und Ämtern sowie das Verbot minderheitenfeindlicher Organisationen. Im Jahre 2025, 70 Jahre nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags, sind diese Rechte noch immer nicht gänzlich realisiert.
Dass sich Staat und Ländern weigern, die im Artikel 7 verbrieften Rechte umzusetzen und jene der anderen Volksgruppen auszuweiten, ist Teil einer langwierigen – und erfolgreichen – Germanisierungsstrategie. Die fehlende Umsetzung wertet die Volksgruppensprachen im öffentlichen Raum ab, verunmöglicht ihre Nutzung außerhalb der Familie und der von der Community geschaffenen Räume und verfestigt ein jahrhundertealtes Machtverhältnis nach dem Schema Herr und Knecht. Teil dieser Strategie ist auch die Instrumentalisierung von Scham: Scham aufgrund der Minderheitenzugehörigkeit, der Verfolgungsgeschichte, der historisch niedrigeren sozio-ökonomischen Stellung der Volksgruppen. Wenn zum Beispiel Slowenisch von der Öffentlichkeit als eine »schiache« und »wirtschaftlich wertlose« Sprache wahrgenommen wird, so ist die Verwendung dieser mit realen sozialen und beruflichen Nachteilen und Repression verbunden. Die Schwelle für das Sprechen und die Weitergabe der Volksgruppensprachen ist dementsprechend hoch, und viele Volksgruppenangehörige wurden von Diskriminierungen und minderheitenpolitischen Kämpfen mürbegemacht. Resultat dessen ist das langsame Dahinsiechen der Volksgruppen und ihrer Sprachen. Denn, so die Assimilierungslogik: Im Tod sind alle gleich und deutsch.
Von dieser Problematik sind alle österreichischen Volksgruppen betroffen. Der Unterschied ist, dass die slowenische und die kroatische durch den Artikel 7 privilegiert sind, während sich die tschechische, slowakische, ungarische sowie die Volksgruppe der Rom:nja nicht auf den Staatsvertrag berufen können. Die Rechtsstellung aller Volksgruppen regeln das an Alterserscheinungen krankende Volksgruppengesetz von 1976 sowie eigene Ländergesetze. Daraus ergeben sich sehr unterschiedliche Ausgangslagen für die Volksgruppen. Während zum Beispiel auf Grundlage der Minderheitenschulgesetze von Kärnten/Koroška und Burgendland/Gradišće/Felsőőrvidék in den Volksgruppenschulen auch auf Slowenisch, Ungarisch und Kroatisch unterrichtet wird, müssen die anderen drei Volksgruppen den Erstsprachenunterricht privat organisieren.
So oder so bleiben jedoch Sprach- und Kulturförderung meist Community-Angelegenheiten. Die österreichischen Volksgruppen leben von ihren Vereinen. Diese schaffen nämlich Räume, in denen Sprache weitergegeben, Kultur geschaffen, Minderheitenpolitik betrieben und verdrängte Geschichte bewahrt wird. Und gerade diese Strukturen trifft die Kürzung der Volksgruppenförderungen; heuer wurde das Budget bereits um 189.000 Euro gekürzt. 2026 werden sogar 599.000 Euro gestrichen.
Die eingangs erwähnte Razzia am Peršmanhof zeigte das Unwissen und die mangelnde Sensibilität seitens der Behörden auf. Sie bewies aber auch, dass es Menschen aus der Mehrheitsbevölkerung gibt, die dazu bereit sind, sich zu solidarisieren und Unrecht zu benennen. Eine nachhaltige Verbesserung der Situation der österreichischen Volksgruppen kann nur auf diese Weise geschehen: durch den Zusammenschluss der Mehrheit mit den Minderheiten.
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