Der Marxismus und die Frage der Technik

von Marlon Lieber

Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Technik und einer postkapitalistischen Gesellschaft? Um diese zentrale Debatte des Marxismus kreisen vier aktuelle Bücher.

Der französische Philosoph Louis Althusser schrieb einmal, dass sich die Geschichte des Marxismus anhand der Antwort auf die Frage, ob Produktivkräfte oder Produktionsverhältnisse Vorrang besäßen, schreiben ließe. Traditionell waren es meist die mit den Produktions-, Transport- und Kommunikationsmitteln identifizierten Produktivkräfte, die als treibende Kraft des Geschichtsverlaufs galten.

Dabei konnten sich Marxistinnen und Marxisten auf das berühmte Vorwort in Zur Kritik der politischen Ökonomie von 1859 berufen, in dem Marx schrieb, dass die herrschenden Eigentumsverhältnisse zwangsläufig zur »Fessel« der »materiellen Produktivkräfte« werden müssten, worauf die »soziale Revolution« folge. Die Entdeckung von zu Marx’ Lebzeiten unveröffentlichten Texten im 20. Jahrhundert führte jedoch zu anderen Lesarten, die zudem von der jeweiligen politischen Konjunktur abhingen. Es verwundert wenig, dass die Theoretiker der Zweiten Internationale in Zeiten einer wachsenden Arbeiterklasse häufig den Optimismus des Vorworts teilten, während in den 1970er-Jahren die Kategorie der »reellen Subsumption der Arbeit unter das Kapital« eine Erklärung zu liefern schien, weshalb die Revolution in den kapitalistischen Staaten ausgeblieben war.

Infolge der Weltwirtschaftskrise ab 2008 hatten marxistische Ideen wieder Konjunktur. Gleichzeitig veränderten digitale Technologien den Alltag vieler Menschen. Für den britischen Autor Paul Mason waren die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse zu einer »Fessel« der digitalen Produktivkräfte geworden, die eine postkapitalistische Zukunft versprachen. Mason und andere linke Akzelerationisten träumten von einer weitgehend automatisierten Gesellschaft, die der Menschheit endlich den Einzug ins »Reich der Freiheit« ermöglichen würde.

Inzwischen beschäftigen sich Ökomodernisten wie Matt Huber expliziter mit der ökologischen Dimension einer sozialen Transformation. Dennoch genießen auch dort die Produktivkräfte Vorrang. Deren Vergesellschaftung ermögliche es, die Wirtschaft ressourcenschonender zu gestalten und gleichzeitig Wirtschaftswachstum zu schaffen, welches gerecht verteilt werden könne.

Der Wachstumskritik wirft der Ökomodernismus dagegen Technikfeindlichkeit vor, die mit Marx und dem Sozialismus nichts mehr zu tun habe. Doch angesichts einiger jüngerer Veröffentlichungen, die um das Verhältnis von Technik und einer von kapitalistischen Zwängen befreiten Gesellschaft kreisen, lässt sich die Frage stellen, ob dieses Urteil zutrifft.

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