Disruptiv, aber mit Gefühl
von Drehli Robnik
Derzeit widmen sich gleich mehrere abendfüllende Dokumentationen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seinem enthemmten Team.
Am Ende steht ironisch ein Anfang: Kurt Langbeins Kino-Doku Projekt Ballhausplatz – Aufstieg und Fall des Sebastian Kurz endet mit dem Beginn der Kanzlerschaft von Karl Nehammer; wir sehen Propagandabilder, die zeigen, wie er die von seinem (Vor-)Vorgänger Kurz begonnenen Aufstiege fortsetzt. Also: Bergwandern zwecks Wahlwerbung, Erklimmen luftiger Höhen medial optimierten Durchregierens im Interesse der Besitzenden und Schnitzelnden – das setzt Nehammer fort, nur mit weniger Gefolgschaft.
Am Beginn von Projekt Ballhausplatz hingegen steht ein Ende: Kurz’ Auftritt in den ORF-News ZiB 2 infolge der Hausdurchsuchungen bei ÖVP-Personal, eine Etappe seiner Rücktritte als Kanzler und Parteichef Ende 2021. Das ist Auftakt einer Archivmaterialrevue mit entspannt montiertem österreichischem und deutschem TV-Material: Langbeins Gestus sauberer Zusammenfassung und Illustration arbeitet für ein »Kurz-Zeit-Gedächtnis« – Vergegenwärtigung der scheint’s endlos zurückliegenden »Ära« des kindlichen Kanzlers, entgegen dem kollektiv schnellen Schwund bewahrender Erinnerung. (Von einem Erinnern, das Beziehungen knüpft, oder von »Sinn für Geschichte« reden wir da noch gar nicht.) Langbein ordnet das Material linear, Jahr für Jahr, ab Kurz’ sexistischem JVP-Aufmerksamkeits-Coup 2010 – mit Kapiteltiteln in Form von Zitaten aus internen Notizen zur Machterlangungsagenda seiner Clique auf zerknülltem türkisem Papier. Das hat die Anmutung eines Makulatur gewordenen Plans – eben zum sogenannten Projekt Ballhausplatz. Es konnotiert auch Fundstücke, die nun Beweismittel sind, staatsanwaltlich gerettet quasi vor dem Schredder, vor der ÖVP-Spurenbeseitigung und dem Mistkübel der Geschichte.
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