Rechte Lust am Hass

von Drehli Robnik

495 wörter
~2 minuten
Rechte Lust am Hass
Dagmar Herzog
Der neue faschistische Körper
Mit einem Nachwort von Alberto Toscano
Wirklichkeit Books, 2025, 112 Seiten
EUR 19 (AT), EUR 18 (DE), CHF 22,40 (CH)

Dagmar Herzog, Historikerin in New York, veröffentlichte bisher Bücher über »sex after fascism« und »eugenische Phantasmen« in der deutschen Geschichte und legt nun eine kompakte Studie zu historischen wie aktuellen faschistischen Körperpolitiken vor. Sie zeigt, wie ein »sexy Rassismus« zusammengeht mit Aggression gegen Menschen mit Behinderung – im Zeichen eines »neuen faschistischen Körpers«.

Das Neue an dieser Politisierung verdeutlicht Herzog mit Blick auf Interdiskurse zwischen Medizin und Regierungstechnik in Deutschland ab 1900. Da geht die Eugenik, die nationale Erbsubstanzen beschwört, in Ausmerzungslehre über: Rassenhygiene stigmatisiert Menschen, die mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen geboren wurden; deren Ermordung soll die Gesellschaft von Fürsorgepflicht entbinden. Das Innovationsmoment des Faschismus lokalisiert Herzog vor allem im Vergleich zur Kirche: Diese (es geht mehr um die protestantische) glaubt an einen Konnex zwischen angeblich erblicher »Idiotie« und »Sünde« und fordert sexuelle Mäßigung; die Nazis aber machen eine Volkskörper- und Sexualpolitik, die nicht prüde, sondern anreizend ist. Ihnen geht es um Dynamisierung: Ein ›reines‹ Volk soll ungehemmt in Bewegung sein, im Vollgenuss seiner Physis und Fortpflanzungsfähigkeit. Wer vom Erbgut abweicht, wird von zwei Seiten bedrängt, von der Kirche und den Nazis: Jüdische Körper gelten als Verunreinigung, Körper mit Behinderung als Belastung, letzteren wird Zwangssterilisation verordnet – zwischen göttlicher und völkischer Machtformation besteht da einiges an Konsens.

Bot das Zeigen auf »jüdischen Schmutz« den Nazis Hintertüren, um sexualisierte Bilder in Umlauf zu bringen, so gilt der »sexy racism«, den Herzog heute feststellt, ganz der Erotisierung von Normkörpern. Das Buch leistet (Bild-)Diskursanalysen zu Werbesujets der AfD und zu deren Kampagnen gegen die Inklusion von Menschen mit Behinderung an Schulen. Die Kampagnen sind, so Herzog, kein Backlash; sie sind ein »Frontlash« gegen Inklusion, die es noch gar nicht gibt. Hier zeige sich German Angst um nationale Intelligenzverluste, mit dem IQ als Fetisch im globalen Wirtschaftswettstreit. Obsession mit Behinderung, komplementär zum Feiern jener, die für den Konkurrenzkampf ›tauglich‹ sind: Darin sieht Herzog das Zentrum einer Körperpolitik, die insgesamt Empathie mit vulnerablen Menschen abschafft.

Das Buch folgt in diesen Analysen einem Faschismusbegriff, der Klassen- und Parteipolitik ausspart und ganz auf Ressentiment und Körper-Images fokussiert (in theoretischer Ausrichtung an einer Verbindung von Foucault’scher Biopolitik mit Psycho-Ideologiekonzepten der Frankfurter Schule). In diesem Manko aber liegt zugleich die Stärke der Studie: eine unterbelichtete Facette des Faschismus herauszuarbeiten, eben diese nachgerade am Leib empfundene Hass-Lust.

Diese Perspektive in eine Historie vom »fascism before fascism« der weißen Gewalt in den USA nach dem Sezessionskrieg bis zu Wellness-Dogmen heute im Spätfaschismus einzubetten, leistet Alberto Toscanos Nachwort: Es umfasst ein Viertel des Buches, lokalisiert den Kern der Sache im Festlegen, wer »überflüssig« ist, und verfällt ein wenig in Faschismus-Definitionsüberschwang. PS: Spannend wären in der Folge dieses Buchs Vergleiche mit der Politik der FPÖ, die mit Norbert Hofer einen Ex-Chef mit Gehbehinderung hat und leise Forderungen nach Behindertenrechten gegen Hilfen für Geflüchtete ausspielt.

1

    Warenkorb

    Spenden €10 - Monatlich
    4 X 10 / Monat = 40 / Monat