Der Preis der Einheit
von Benjamin Opratko
Gelingt es der Kommunistischen Partei Österreichs, ihr über 20 Jahre andauerndes Schisma zu überwinden?
Im Oktober versammelte die KPÖ Delegierte zum Parteitag in der ehemaligen Ankerbrotfabrik in Wien: Es sollten, wie es die deutschen Genoss:innen formulieren würden, große Brötchen gebacken werden. Dabei war ein lange nicht mehr gehörter Zungenschlag zu vernehmen: Es wurde auch steirisch gesprochen.
Das gilt als kleiner Durchbruch. Denn seit 2004 hatte die steirische Landesorganisation keine Delegierten mehr entsendet. Damals hatte sich in einem zähen und gehässig ausgetragenen Flügelkampf eine Gruppe durchgesetzt, die aus der altehrwürdigen, aber chronisch erfolglosen Partei eine (post-)moderne Sammelbewegung neuer Linker machen wollte. Das vergrämte andere Teile der Partei nachhaltig, darunter die Mehrheit der Steirer:innen, die fortan ihr eigenes Ding machten. In Graz setzte man auf eine scheinbar unspektakuläre Mischung aus kommunistischer Traditionspflege, fleißig-pragmatischer Kommunalpolitik und bescheidenem Normalo-Image. Das brachte spektakuläre Erfolge. Während die Bundespartei in immer neuen Bündniskonstellationen bei Nationalrats- und EU-Wahlen nie über ein Prozent der Stimmen gelangte, gewannen die Grazer Stadt- und die steirische Landespartei kontinuierlich Zustimmung. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung war die Wahl Elke Kahrs zur Grazer Bürgermeisterin 2021. Mit der Bundespartei wollte man nichts zu tun haben.
Es scheint nun, als wäre die Partei bereit, ihr über 20 Jahre andauerndes Schisma zu überwinden. Voraussetzung dafür waren ein Generationenwechsel und neue Impulse von außen. Es sind vor allem ehemalige Mitglieder der Jungen Grünen, die, nachdem sie 2017 von ihrer Mutterpartei ausgeschlossen worden waren, Zug in Richtung KPÖ-Spitzenpositionen entwickelt haben: der Salzburger Vizebürgermeister Kay-Michael Dankl etwa, die neue Chef-Organisatorin der KPÖ Sarah Pansy und der nunmehr einzige Bundessprecher Tobias Schweiger. Sie wollen beweisen, dass das steirische Modell national hochskaliert werden kann, und die KPÖ erstmals seit 1959 wieder in den Nationalrat führen. Das bedarf nicht nur vieler Mühen im Aufbau neuer Strukturen und Routinen, sondern auch weiterer Überzeugungsarbeit nach innen. Die Wahlergebnisse für die neuen Führungspersonen waren dem Vernehmen nach nicht überwältigend, und eine entscheidende Frage wurde vertagt: Sind die finanziell gut ausgestatteten Landesverbände aus der Steiermark und aus Salzburg bereit, mehr Ressourcen an die Bundespartei abzugeben? Zumindest scheint man in der KPÖ verstanden zu haben, dass der Erfolg die Einheit voraussetzt. Aber die Einheit hat auch ihren Preis. Wer ist bereit, ihn zu zahlen?
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