Was Michael Ludwig richtig macht

von Robert Misik

Illustration: Christoph Kleinstück

Grosso modo meistert der Wiener Bürgermeister seine Aufgabe gut. Sie besteht darin, eine rot-grüne Mehrheit in der Stadt zu garantieren.


387 wörter
~2 minuten

Eine der guten Charaktereigenschaften von uns Linken ist die gesellschaftskritische Energie, zu der ebenso gehört, dass wir Schwächen in den eigenen Reihen nicht kritiklos übergehen. Die schlechte Seite dieser an sich guten Eigenschaft ist Besserwisserei, ein Gegeneinander und die Unfähigkeit zu Solidarität mit jenen, die nur so in etwa ähnliche Haltungen wie wir haben.

Auch mir würden ein paar Dutzend Dinge in den Kopf kommen, die in der Wiener SPÖ seit Jahren oder gar Jahrzehnten falsch laufen und zu vielen der aktuellen Führungsfiguren würde mir das eine oder andere Nörglerische einfallen. Zugleich ist die Wiener SPÖ eine der schlagkräftigsten, bestorganisierten und politisch instinktsichersten Sozialdemokratien in Europa. Sozialdemokratie und alles, was mit ihr verbunden ist, prägt seit 1919 – nur unterbrochen durch zwei Diktaturen in elf Jahren – den Charakter dieser Stadt: ein Netz an gut funktionierender öffentlicher Infrastruktur, Gemeindebauten und genossenschaftlicher Wohnbau, Versorgung für alle, eine relativ egalitäre Kultur.

Aber auch hier gibt es all die Probleme, die demokratische Linksparteien überall plagen: dass Teile der arbeitenden Klassen sich nicht mehr von der SPÖ repräsentiert fühlen, dass sie sich oft nicht einmal gehört fühlen. Prekarität, in der ein Teil neuer subproletarischer Milieus gefangen ist. Eine Spaltung in »inländische« und »migrantische« arbeitende Klassen. Eine routinierte Apparatschik-Kultur. Und dazu kommt ein langjähriger Diadochenkampf um die Nachfolge von Michael Häupl, der die Partei aufgewühlt und viele Bezirksparteiorganisationen gespalten hat. Lange Streitereien wie diese führen zu Ressentiments.

Michael Ludwig ging in dieser Auseinandersetzung als Sieger hervor, und er hat seither sehr viel richtig gemacht. Er versuchte, so gut wie möglich, die Lager zu versöhnen. Er formte eine Stadtregierung mit guten Leuten, welche die verschiedenen Gesellschaftsgruppen repräsentieren: Jürgen Czernohorsky, Peter Hacker, die Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, auch die Baustadträtin Kathrin Gaal. Ludwig selbst positioniert sich als eine Person, die auch in den Vorstädten, in den Gemeindebauten als »einer von uns« angesehen wird. Und das, ohne die Partei in gesellschaftspolitischen Fragen so »nach rechts« zu rücken, wie das manche befürchtet haben. Grosso modo meistert er seine Aufgabe gut. Die besteht schließlich darin, eine breite Wählerallianz zusammenzuhalten, die eine strategische Mehrheit für die SPÖ und in Summe eine rot-grüne Mitte-links-Mehrheit in der Stadt garantiert.

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