Die Verwirklichung der »gegenseitigen Achtung«
von Jens Kastner
Am 8. Februar jährt sich der Todestag des Anarchokommunisten Pjotr Kropotkin zum 100. Mal. Seine Überlegungen zur Solidarität sind gerade in diesen Tagen höchst aktuell.
In der Nachbarschaftshilfe während der Corona-Krise erkannten viele, was sie auch in der spontanen Sorge um völlig Fremde bei und nach terroristischen Attentaten am Werk sahen: ein grundlegendes Prinzip gegenseitiger Hilfe. Nun ist das, was in solch Taten gesehen wird, immer eine Frage der Interpretation: Entstehen sie aus Mitgefühl oder aus Nächstenliebe, sind sie Ausdruck von Barmherzigkeit oder handelt es sich um Solidarität? Es geht um Fragen der Ethik, aber auch, weil es sich um soziale Beziehungen ganz allgemein dreht, um sozialwissenschaftlich relevante Fragen. Beide Ebenen der Auseinandersetzung zu verknüpfen, war das Anliegen von Pjotr Kropotkin (1842–1921). Der russische Geograf, Schriftsteller und unermüdliche Aktivist hatte in seinem Buch Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt (1903) die Entwicklung der moralischen Praxis, damals Sittlichkeit genannt, und der Solidarität in der Geschichte der Menschheit untersucht. Er gehört damit neben dem Soziologen Émile Durkheim (1858–1917) und dem Juristen und Politiker Léon Bourgeois (1851–1925) zu den Begründern einer zeitgenössischen Theorie der Solidarität. Kropotkin suchte nach Motiven solidarischer Praktiken ebenso wie nach ihren konkreten Formen.
Jetzt weiterlesen? Das sind Ihre Optionen.
DIESE AUSGABE
KAUFEN
Jetzt kaufen
JETZT
ABONNIEREN
Zu den abos
Ihre Spende für kritischen Journalismus
Linker Journalismus ist unter Druck. Zumal dann, wenn er die schonungslose Auseinandersetzung mit den herrschenden Verhältnissen profitablen Anzeigengeschäften vorzieht. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie es uns, kritische Berichterstattung auch angesichts steigender Kosten in gewohnter Form zu liefern. Links und unabhängig.