»Wie heißt dieser, unser Krieg?«

von Olja Alvir

Fotos: Petra Mrša

Die Kulturphilosophin Sanja Bojanić im Gespräch über die Lage in Kroatien 30 Jahre nach dem Systemwechsel, konservative Girlboss-Politikerinnen und die zerstörerische Kraft des Tourismus.


2666 wörter
~11 minuten

Olja Alvir | Das Institut, das Sie an der Universität Rijeka leiten, trägt »Südosteuropa« im Namen. Nun gewinnt in den letzten Jahren der Begriff »Westbalkan« gegenüber »Südosteuropa« diskursiv an Land. Wo dieser »Westbalkan« aber genau sein soll, ist nicht klar. Und ob Kroatien dazugehört oder nicht, hängt davon ab, wen man fragt. Wo also ist dieser Westbalkan und wo der implizierte »Restbalkan«?

Sanja Bojanić | Das hängt nicht nur davon ab, wen, sondern auch, wann wir fragen. Die Antwort erfolgt je nachdem, wohin man in diesem Moment orientiert ist, wohin man schaut. Unlängst gab es in Kroatien ja Präsidentschaftswahlen, bei denen sich die Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović der Wiederwahl gestellt und verloren hat. Ihre konservativ-nationalistische Politik und Orientierung waren klar, und es war deutlich, in welche Richtung sie blickt. Unter Grabar-Kitarović bewegte sich Kroatien in den letzten Jahren entlang der Višegrader Achse. Es wurde – auf eine erzwungene und künstliche Art und Weise – versucht, eine gemeinsame Region von Polen über Ungarn bis nach Kroatien zu schaffen und auf dieser Grundlage eine gemeinsame Politik nationalistischen Charakters zu machen. Während Grabar-Kitarović’ Zeit war »Südosteuropa« ein Schimpfwort. Der Tenor war: Kroatien kann so etwas wie Südosteuropa nicht angehören. Das konservative Kroatien hat sich in Mitteleuropa verortet, wollte sein Kern, sein Herz sein.

OA | Ändert sich daran etwas, nachdem Grabar-Kitarović die Wahl verloren hat?

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