Das letzte bisschen Freiheit

von Sarah Yolanda Koss

Illustration: Lea Berndorfer

Einzelhaft, gestrichene Freigänge und ausgesetzte Therapien. In der Corona-Pandemie verloren Gefangene die wenigen Freiheiten, die ihnen geblieben waren. Wie drei von ihnen diese Zeit hinter Gittern erlebt haben.


2522 wörter
~11 minuten

»Und schimpfens net so viel«, verabschieden sich zwei Justizbeamte bei dem älteren Herrn mit Drei-Tage-Bart, grau meliertem Haar und gestreiftem T-Shirt, den sie eben in den Raum begleitet haben. Er winkt ab, dreht sich zum Computerbildschirm und sagt in die Kamera: »Ehrlicherweise ist das gerade eine Scheißsituation.« Martin Gruber ist 63 Jahre alt, er sitzt auf einem abgewetzten blauen Schreibtischstuhl, den Raum, in dem er sich befindet, kennt er allzu gut. Die bemalten Büsten hinter ihm, die Buddha-Statue in der Ecke. Er ist bereits seit neuneinhalb Jahren in der Justizanstalt Wien-Simmering inhaftiert. Aber die letzten beiden Jahre waren besonders hart. Grubers langjährige »Unterkunft« ist eine ehemalige Kaiserresidenz im Südosten Wiens. Die Justizanstalt Wien-Simmering liegt zu Teilen im Gebäude des Schlosses Kaiserebersdorf. Mehr als zehn Prozent der Haftplätze sind hier für Freigänger wie ihn reserviert. Freigang bedeutet in normalen Zeiten nicht nur, dass er das Gefängnis tagsüber etwa für die Arbeit verlassen kann. Es bedeutet auch: keine Gitter vor den Fenstern, keine verschlossenen Hafträume in den Trakten, duschen, wann immer man möchte, Ein- oder Zweibettzimmer, gemeinsames Bad und Gemeinschaftsküche. »Unsere Abteilung war wie so eine kleine Wohngemeinschaft«, sagt Gruber. Doch mit dem 16. März 2020, dem Tag des ersten bundesweiten Lockdowns in Österreich, ändert sich für ihn alles. Besuche, Ausgänge und Postverkehr werden gestrichen, Abteilungen zugesperrt. Von einem Tag auf den anderen ist er wieder im geschlossenen Vollzug. Nach knapp zwei Jahren Pandemie hat Gruber 144 Tage Ausgang verloren. Sie werden nicht von seiner verbleibenden Haftzeit abgezogen.

Im Februar 2020 macht sich Unruhe in Österreichs Justizanstalten breit. Covid-19 kommt immer näher, hinter Gittern herrscht eine erhöhte Ansteckungsgefahr. Durch die Medien gehen Bilder von revoltierenden italienischen Häftlingen, die Gefängnisapotheken plündern und auf den Dächern der Anstalten Banner hissen. Sie haben Angst davor, was passiert, wenn das Virus hinter die Mauern gelangt. In österreichischen Gefängnissen versucht man so einer Situation vorzubeugen. Keine leichte Aufgabe in einem Land, in dem es manche Anstalten bereits zuvor nicht schafften, die gesetzlichen Mindestvorgaben einzuhalten. Gruber ist eine von 9.366 Personen, die Anfang des Jahres 2020 in den 27 österreichischen Justizanstalten untergebracht sind. Platz ist eigentlich nur für 8.880 Menschen. Abstand und Hygienemaßnahmen einzuhalten, ist bei dieser Überbelegung eine große Herausforderung. Und weil die praktische Auslegung von Weisungen der Politik zur Bekämpfung des Virus in den Händen der Gefängnisleitungen liegt, reagiert jede Anstalt auf ihre eigene Art und in ihrem eigenen Tempo; Vergünstigungen, Besuche und Hofzeiten werden nach und nach radikal beschränkt.

Resozialisierung wird erschwert

Wenn über Gefängnisse gesprochen wird, dann geht es immer auch um das Konzept der Resozialisierung, der Wiedereingliederung in die freie Gesellschaft. Doch in den vergangenen zwei Jahren verloren viele Gefangene die letzten Freiheiten, die ihnen noch geblieben waren und sie auf das Leben außerhalb der Mauern vorbereiten sollten. Die physische Unversehrtheit, also Schutz vor dem Virus, die ab Frühling des Jahres 2020 das oberste Ziel ist, geht zulasten der Psyche der Inhaftierten, ihrer Resozialisierung und des Schutzes der Allgemeinheit. Wer trägt die Konsequenzen?

Auf die meisten Fragen antwortet Gruber schnell und präzise, nur wenn es um seine Wochenendausgänge geht, wird er emotional. Diese Tage in Freiheit, die sind ihm wichtig. Im Jahr 2018 verstarb seine Ehefrau, daraufhin besuchte er die gemeinsame Wohnung noch ein paar Mal, bevor er sie auflöste. »Es war zu schmerzlich, zu viele gemeinsame Erinnerungen«, sagt er. Gruber heißt eigentlich anders, so wie alle Inhaftierten, die in diesem Text zu Wort kommen, möchte er anonym bleiben. Für seine Haftentlassung in wenigen Monaten hatte er sich von dem Geld des Verkaufs der alten Bleibe eine kleine, stark renovierungsbedürftige Wohnung gekauft. Geld für eine Sanierung blieb ihm danach keines. Die Ausgangswochenenden nutzen, um sie zu herzurichten, das war der Plan. Jetzt wird er bald entlassen und hat weder Strom- noch Wasseranschlüsse. Gruber hat schon einige Anträge an das Justizministerium verfasst, um seine verlorenen Ausgänge als Haftstrafe anerkennen zu lassen. Er weiß nicht genau, wie er sich in der Öffentlichkeit, nach diesen besonderen zwei Jahren der Abgeschiedenheit, wieder zurechtfinden wird: »Verstehens, ich bin schon so lange drin, ich habe ja nichts mehr. Wohnung, Konto, soziales Umfeld. Der Freigang ist dazu da, um mich wieder in die Gesellschaft einzuführen. So ist das nix.«

Als sich das Virus schließlich auch in Simmering ausbreitet, die Justizanstalt zum Cluster wird, bekommt Gruber Angst. Die Abteilungen werden abgeriegelt, einzelne Erkrankte und K1-Personen in ihren Hafträumen eingesperrt oder auf Quarantänestationen gebracht. Gruber gehört zur Hochrisikogruppe, leidet seit 50 Jahren an schwerem Bronchialasthma und wird mit Cortison behandelt.

In über hundert anderen Ländern, auch in Staaten wie dem Iran, der Türkei oder der USA, hat die Justiz auf die Pandemie anders reagiert. Ab Juli 2020 wurden weltweit 600.000 Insassen entlassen, insbesondere jene in kritischen gesundheitlichen Zuständen, ältere Inhaftierte und solche mit einer kurzen Reststrafzeit. Hohes Alter, geringe verbleibende Haftzeit, chronische Krankheit – alles würde auf Gruber zutreffen. Doch für ihn gab es die Option auf frühere Haftentlassung nicht. In Österreich wurden zwar Haftantritte von Strafen bis zu drei Jahren ohne Verdunkelungsgefahr ausgesetzt, die Möglichkeit, Menschen früher aus der Haft zu entlassen, wurde von politischen Vertreterinnen jedoch nicht einmal diskutiert. In Deutschland setzte sich Die Linke für die Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe und die Verschiebung der Haftantritte ein, was in beinahe allen Bundesländern auch geschah. In Rheinland-Pfalz, Hamburg und Nordrhein-Westfalen wurden geringe Haftstrafen unterbrochen.

Zwei Monate Isolation

Rund 15 Kilometer nördlich des Gefängnisses in Simmering liegt die Justizanstalt Josefstadt. Sie ist Österreichs größtes und dauerhaft überbelegtes Gefangenenhaus und wurde im 19. Jahrhundert unter Kaiser Franz I. errichtet. Ihr Anblick, hieß es damals, solle »fürchterlich und auch stolz sein, um Schrecken denjenigen zu verkünden, die sich durch ihre Streiche der menschlichen Gesellschaft unwürdig gemacht haben.« Rund drei Viertel der Gefangenen in der Justizanstalt Josefstadt sind Untersuchungshäftlinge, der Rest hat Strafmaße von bis zu achtzehn Monaten. Im Frühjahr 2020 wird Matthias Pichler, Mitte vierzig, raspelkurze Haare, hier eingesperrt. Beamte führen ein Zugangsgespräch mit ihm, er füllt einen Fragebogen aus. Ist er suizidal? Seine psychische Gesundheit wird auf einer Skala von grün bis rot bestimmt. Das ist in der Untersuchungshaft besonders wichtig, hier ist die Selbstmordrate höher als bei anderen Anhalteformen. Soweit kennt Pichler den Ablauf, für ihn ist es schon das zweite Mal in der Josefstadt. Doch dann führen die Beamten ihn in eine Isolationsabteilung, in der Neuankömmlinge die ersten zehn bis vierzehn Tage verbringen. Für die dafür zusätzlich benötigten Hafträume werden in der Josefstadt Zimmer umgewidmet, die sonst der Freizeitbeschäftigung dienen. Tischtennis fällt aus, Krafträume sind geschlossen, Hof und Turnsaal können kaum mehr genutzt werden. Weil Pichler unter Asthma sowie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD leidet, wird er die ersten zweieinhalb Monate allein in einen Raum gesperrt. Einzelhaft zu seinem Schutz.

Durch diese massiven Einschränkungen hinter Gittern gelingt es zwar, das Virus großteils aus der Josefstadt zu halten. Doch dieser Erfolg hat seinen Preis, sagt Herbert Trimmel. Er arbeitet seit über 30 Jahren als Gefängnisseelsorger. Normalerweise besucht Trimmel die Neuankömmlinge, doch das ist ihm in dieser Zeit untersagt. Der Schutz der Inhaftierten erschwert die ohnehin harte Anfangszeit. Denn schon vor den strengen Covid-19-Maßnahmen stand die Josefstadt massiv in der Kritik. Überbelegungen der Zimmer, Unterbesetzungen beim Personal. Laut Gesetz sind höchstens sechs Inhaftierte pro Haftraum erlaubt, doch in der Josefstadt gibt es Zehn-Bett-Zimmer. Die heruntergekommenen Hafträume sind mit Waschbecken und Toilette ausgestattet. Geduscht wird pro Abteilung in einem eigenen Duschbereich, zweimal pro Woche. Bei Covid-Verdachtsfällen kommt es zum Einschluss in den Zellen. Das Personal der Anstalt versucht in derlei Situationen, zumindest die Zehn-Personen-Hafträume auf zwei Räume aufzuteilen. Doch dafür reicht der Platz in der Josefstadt nicht. So waren bei Verdachtsfällen immer wieder 200 bis 300 Inhaftierte gleichzeitig in Quarantäne, bestätigt der Anstaltsleiter. Obwohl das österreichische Strafvollzugsgesetz mindestens eine Stunde Hofgang pro Tag vorsieht, wird dieser zeitweise gestrichen. Im vergangenen Monat legte Justizministerin Alma Zadić einen Plan vor, die Gefängnis- und Justizräume der Josefstadt zu sanieren. Zwar sollen die Räume neu aufgegliedert werden, künftig soll es nur noch Vierer-Zellen geben, an der chronischen Überbelegung ändert sich dadurch jedoch nichts.

Therapie gestrichen

In einer kleinen niederösterreichischen Ortschaft glaubt Jonas Mayer nicht mehr daran, je wieder in seiner alten Normalität außerhalb der Haft leben zu können. Umgeben von Feldern liegt ein Renaissancebau aus dem 16. Jahrhundert. Zwischen pastellfarbigen Häuschen am Hauptplatz steht ein Tor zum Göllersdorfer Schloss, in dem seit den 1970er Jahren die Justizanstalt Göllersdorf für »zurechnungsunfähige geistig abnorme Rechtsbrecher« untergebracht ist. Einer von ihnen ist Mayer, er nennt die Justizanstalt »Endstation Göllersdorf«. Mayer ist ein großer, breit gebauter Mann. Fragen beantwortet er teils auf Hochdeutsch, teils im Dialekt. In Göllersdorf ist er seit vier Monaten, im Maßnahmenvollzug eineinhalb Jahre. Und im Gefängnis seit dreizehn Jahren.

Der Maßnahmenvollzug wird nach Strafgesetzbuch Paragraf 21/1 für jene verhängt, die per Urteil zwar vor dem Gesetz nicht schuldfähig, aber doch als Bedrohung für die Sicherheit eingestuft werden. Ihre Unterbringung ist zeitlich ungebunden. Entlassen werden sie nur, wenn sie laut einem psychiatrischen Attest keine Bedrohung mehr für die Allgemeinheit darstellen. Österreich wurde für den Maßnahmenvollzug im Jahr 2015 in Aspekten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Nach Jahren des Stillstands kündigte Justizministerin Zadić im Mai 2021 eine Reform an, die sich damit befasst, dass immer mehr psychisch kranke Menschen auf unbestimmte Zeit wegen vergleichsweiser geringer Delikte angehalten werden. Die Volksanwaltschaft und die Arbeiterkammer zweifelten an der Schlagkraft der Reform.

Stellte Covid ein höheres Risiko für Justizanstalten als den Rest der Gesellschaft dar, so ist die Lage in Göllersdorf noch einmal zugespitzt. Ein Großteil der Untergebrachten gehört aufgrund somatischer und psychischer Erkrankungen zur Hochrisikogruppe. Ein großes Problem ist seit Beginn der Pandemie der Ausfall der Sozialtrainings. Im Maßnahmenvollzug untergebrachte Personen, die sich in der Phase der Resozialisierung befinden, werden die ersten Tage in Freiheit von Fachdiensten und der Justizwache begleitet, danach besuchen sie eine Nachbetreuungseinrichtung. 

Als die Sozialtrainings gestrichen wurden, mussten andere Wege gefunden werden, um Menschen in die Freiheit zurückzuführen. Daniela Seichter leitet die Justizanstalt Göllersdorf. Um das Problem zu lösen, schickte sie Untergebrachte in »Dauer-UBU«, eine Dauerunterbrechung der Unterbringung. Diese kann nach einem 14-tägigen Aufenthalt in einer Nachsorgeeinrichtung beim Landesgericht beantragt werden. So vermeidet sie im Frühling 2021 eine Überlastung ihrer Anstalt, auf Kosten der Begleitung der Inhaftierten im Resozialisierungsprozess.

Obwohl Menschen im Maßnahmenvollzug als psychisch krank eingestuft werden, fallen Therapien zu Beginn der Corona-Pandemie für einige Monate weg. Im Spätsommer 2021 wartet Mayer seit drei Wochen auf eine Zuweisung. Er arbeitet nicht in einem Betrieb oder einer Werkstatt, das Aufstehen fällt ihm wegen der Medikamente schwer. Untergebrachte haben, im Gegensatz zu Strafgefangenen, keine Arbeitsverpflichtung. Die viele Zeit, die ihm bleibt, verbringt er hauptsächlich damit, auf seinem Zimmer Rap-Songs zu schreiben. Seit Beginn der Pandemie vermisst er seinen Sohn, bei den seltenen Besuchen darf er ihn nicht mehr umarmen. Mayer sagt: »Die Besuche sind viel weniger persönlich, weniger menschlich.« Früher gab es Tischbesuche, bei schönem Wetter im Freien. Heute teilt eine Plexiglasscheibe den Eingangsbereich in zwei Hälften, durch die sich Untergebrachte mit ihren Angehörigen unterhalten.

Besuche, Ausgänge und Postverkehr werden in den ersten Monaten der Corona-Pandemie in den meisten österreichischen Justizanstalten erst mal gestrichen, später deutlich dezimiert. Für die Resozialisierung wichtige Maßnahmen wie Therapie oder Ausgang fallen aus. Im Sommer 2020 veranstalten Strafverteidigerinnen einen Sitzstreik vor der Justizanstalt Josefstadt, weil sie ihre Klienten nicht besuchen können. Trotz der radikalen Einschränkungen ergreift die Justiz erst nach einigen Monaten Maßnahmen, um die Folgen der gestrichenen Freiheiten abzufedern. Videotelefonie, seit Jahren diskutiert, aber nicht umgesetzt, wird als Besuchsersatz eingeführt. Da Besuche für viele Monate ausgesetzt wurden, bewilligte die Justizanstalt Josefstadt zwar längere und häufigere Telefonate, diese werden allerdings nach Dringlichkeit gereiht. Außerdem sind Telefonate im Gefängnis teuer. Sie kosten den Inhaftierten bis zu 19 Cent pro Minute in österreichische Mobilfunknetze. Ins Ausland kann es noch teurer werden, bis zu knapp einem Euro pro Minute. Menschen, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, können in der Josefstadt hin und wieder auf Kosten der Anstalt telefonieren, teilt ihr stellvertretender Leiter Josef Hofkirchner mit. In Simmering können Inhaftierte seit dem Ausbruch von Covid-19 ihre Rücklage für Telefonate ausgeben. Nach Abzug eines Vollzugskostenbeitrags verdienen Häftlinge durchschnittlich 1,50 Euro die Stunde, die Hälfte davon fließt in diese Rücklage. Geld, das eigentlich nach der Entlassung den Einstieg in die Normalität erleichtern soll.

Alternativen zur Haftstrafe

Laut Nikolaus Tsekas, Leiter von Neustart Wien, einer NGO, die Resozialisierungshilfe für Straffällige anbietet, wurde in der Pandemie eine Chance verpasst. Er sagt: »Dass es keinerlei Initiativen gegeben hat, Menschen in Haft möglichst schnell zu entlassen, ist ein Punkt, der mich ein Stück weit desillusioniert hat.« Dabei gäbe es Alternativen zur Haft, vor allem für die Delikte, die in Österreich mit einjährigen Haftstrafen geahndet werden. Sie machen immerhin 70 Prozent aller Strafen aus. Tsekas sagt, am wenigsten wirke das Angebot von Neustart für diejenigen Personen, die ihre vollständige Strafe absitzen mussten. Die geringste Rückfälligkeit gäbe es hingegen beim außergerichtlichen Tatausgleich, bei dem Täter und Opfer mithilfe von Sozialarbeiterinnen an einen Tisch gebracht werden und gemeinsam eine Lösung aushandeln – abseits des Gefängnisses. Dieser Tatausgleich ist eine Idee der »Restorative Justice«-Bewegung, die den Ansatz vertritt, Kriminalität solle als Verletzung konkreter Opfer definiert werden und nicht als abstrakter Gesetzesverstoß. Statt durch Strafen soll der Rechtsfrieden durch Versöhnung und Wiedergutmachung hergestellt werden.

Resozialisierung, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft, ist eines der offiziellen Ziele des Strafvollzugs. Ein zweites Ziel ist der Schutz der Allgemeinheit. »Es gibt unter allen Expertinnen einen Grundkonsens, dass das Gefängnis Menschen nicht besser und die Welt nicht sicherer macht«, sagt Tsekas. Nicht einmal zehn bis zwanzig Prozent der heutigen Gefängnisinsassen müssten eingesperrt sein, um die öffentliche Sicherheit zu wahren, meint er. Was die verhärtete Covid-Situation in Gefängnissen bedeutet? Sie werde negative Folgen haben, so Tsekas. Denn jedes Stückchen Normalität innerhalb der Gefängnismauern sei notwendig für die folgende Zeit draußen.

Göllersdorf ist die erste Justizanstalt Österreichs, die im März 2021 mit der Impfung beginnt. Jonas Mayer lässt sich sofort impfen. Er erhofft sich davon, bald Ausgänge bewilligt zu bekommen und so seinen Sohn wieder treffen zu können. Matthias Pichler wiederum hofft, die restlichen Monate seiner Strafe nicht mehr alleine in einen Raum gesperrt zu werden. Und in Simmering zieht Martin Gruber sein Fazit: Er ist mit der Gesamtsituation unzufrieden, aber was soll man schon machen. »Denen da oben sind wir im Gefängnis wurscht.«

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