Weißer Mann sucht Glück

von Janko Ferk

433 wörter
~2 minuten
Weißer Mann sucht Glück
Bodo Kirchhoff
Bericht zur Lage des Glücks
Frankfurter Verlagsanstalt, 2021, 603 Seiten
EUR 28,80 (AT), EUR 28,00 (DE), CHF 38,90 (CH)

Bodo Kirchhoffs Romane werden immer dicker, ihr Verfasser reifer. Mittlerweile ist er einer der brillantesten deutschsprachigen Erzähler, das heißt, er kann – wie in der guten alten Novellistik-Zeit US-amerikanischer Autoren – einen Stoff schlüssig von A nach B führen. Müsste er auch, schließlich hält er in seinem Haus am Gardasee Kurse für »Kreatives Schreiben«.

Lang hat Bodo Kirchhoff Hirnerotik vom Feinsten geliefert, einmal Anreizendes mit Distanz und dann pure Fleischeslust. Liest man Kirchhoff heute, kann man sich selten des Gefühls erwehren, er schreibe autobiografisch. Für das aktuelle Buch wäre dies eine unbegründbare Unterstellung.

Die Hauptfiguren, die Helden des Romans, sind ein älterer weißer Mann und eine junge schwarze Frau, die im Buch nur als »die Afrikanerin« firmiert. »Ich sehe dich an, weil du schön bist, nicht weil du schwarz bist«, schreibt Kirchhoff und kratzt (gerade noch) die politisch korrekte Kurve. Auch in diesem Buch geht es um Liebe, zumindest für den white male.

Kirchhoff erzählt auf sechshundert Seiten und vier zeitlichen Ebenen die Geschichte eines verlassenen Mannes, der eine Italienreise wiederholt, um zu sich zu finden. Vor Jahren war er mit der Physiotherapeutin Lydia in Kalabrien. Die Bilder der Italientour erinnern an Kirchhoffs preisgekrönten Roman Widerfahrnis. Jetzt besucht der Protagonist die Orte, die ihn an die verflossene Zweisamkeit erinnern, von neuem. Unterwegs lernt er eine geheimnisvolle Afrikanerin kennen, die, wie sollte es in der Jetztzeit anders sein, über das Meer geflüchtet ist. Die Schwierigkeiten des Fast-Pensionisten ergeben sich nicht nur aus der gescheiterten früheren Partnerschaft, sondern auch aus seiner beruflichen Situation, die ungelöst scheint.

Der Erzähler »berichtet«, was ihm in Kalabrien, Rom sowie Mailand und später im Schwarzwald zugestoßen ist. Er »dokumentiert«, was ihm, dem melancholischen und gewesenen Redakteur der Kirchenzeitung Christliche Stimme geschieht, als er in Kalabrien die geheimnisvolle Schönheit kennenlernt. Es ist die Geschichte eines sehr ungleichen Paares, und es ist eine Geschichte über Rassismus sowie das Versagen des Romanhelden, der nicht imstande ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zugleich wird das Buch von zu vielen, nicht nachvollziehbaren Zufällen getragen.

Insgesamt ist es ein Roman über das Scheitern sowie, könnte man anmerken, wäre man auf eine billige Pointe aus, über einen Autor, dem dieses Projekt misslungen ist. Kirchhoff hat dieses Mal ungefähr dreihundert Seiten zu viel geschrieben, nicht selten in der ihm eigenen selbstverliebten Sprache. Erwartet hat man einen Glücksbericht, geworden ist es ein gestreckter, soll heißen verlängerter Versuch über das Versagen beziehungsweise ein Bericht über die Asymmetrie einer dramaturgisch überzogenen Liebesgeschichte.

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