Single sein ist politisch

von Andrea Heinz

387 wörter
~2 minuten
Single sein ist politisch
Katja Kullmann
DIE SINGULÄRE FRAU
Hanser, 2022, 336 Seiten
EUR 24,70 (AT), EUR 24,00 (DE), CHF 33,90 (CH)

Zu den vielen Imperativen, denen sich eine Frau – vermutlich überall auf der Welt – ausgesetzt sieht, zählt dieser: Steh’ in Beziehung! Nicht zu anderen Frauen, bewahre, sondern ordentlich zu Mann und idealerweise Kind. Dass und warum diesen Anspruch immer weniger Frauen erfüllen können oder wollen, davon erzählt Katja Kullmanns Die singuläre Frau.

Anders als viele der sonstigen Bücher zum Thema ist es auf angenehme Weise weder larmoyant noch defensiv. Im Gegenteil: Kullmann erklärt die singuläre Frau, wie sie sie nennt, kurzerhand zur »Heldin der Moderne«.

Kullmann geht von der plötzlichen Erfahrung aus, die sie als beinahe 50-Jährige ereilte: Sie war unversehens zum Langzeitsingle geworden (ein Begriff, der ungut an Langzeitarbeitslosigkeit erinnert – aber Beziehungen sind ja angeblich auch Arbeit). Diese persönliche Situation setzt sie nun in einen größeren Zusammenhang: Singuläre Frauen gab es als Phänomen schon mindestens seit der Jahrhundertwende, und vermutlich sowieso zu allen Zeiten. So eine Paarbeziehung ist ja nicht »Natur«, auch wenn das immer gerne behauptet wird. Kullmann jedenfalls zeigt, wie wirtschaftliche, gesellschaftliche, medizinische oder politische Entwicklungen dazu führten, dass Frauen nicht länger gezwungen waren, verheiratet zu sein. Sie führt zahlreiche wissenschaftliche und literarische Quellen an, ein Fundus an Role Models und zu entdeckenden Autorinnen.

Ihr Kontext ist dabei ein klar westlicher, der Referenzrahmen die BRD, in der sie selbst 1970 geboren wurde. Aber auch eine wahrlich heldenhafte Frau aus Detroit hat ihren Auftritt: Charnell, die »Schwarze Frau aus der angeblich gefährlichsten Stadt der westlichen Hemisphäre, die sich selbst und die Kleinen anfangs auf dünnen Campingmatratzen auf dem Fußboden gebettet hatte, weil kein Geld für Möbel vorhanden war«. Eine zweifach geschiedene, fünffache Mutter, die den Satz sagt: »Liebe funktioniert nicht mehr. Nirgends.«

Dass es Frauen gibt, die sich den Luxus des Alleinlebens nach wie vor nicht erlauben können, ist bei Kullmann kein großes Thema, es ist auch nicht der Fokus dieses Buches. Dennoch unterschlägt sie diese Tatsache nicht, sondern endet mit einem warmherzigen Rat: »Lasst euch keine Angst einjagen. Und seid solidarisch mit denen, die ärmer sind, zögerlicher, schwächer, die weniger Bildung genossen haben oder denen sich aus anderen Gründen bislang wenige bis keine Chancen auf das autonome Leben bieten, das sie vielleicht führen möchten.«

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