Leben einer Alltags­geschichtlerin

von Hazel Rosenstrauch

514 wörter
~3 minuten
Leben einer Alltags­geschichtlerin
Stefanie Panzenböck
Die Spira
Eine Biografie
Falter-Verlag, 2022, 224 Seiten
EUR 24,90 (AT), EUR 24,90 (DE), CHF 35,90 (CH)

Auf dem Titel lacht sie, wie sie so oft gelacht hat, die TV-Journalistin Elizabeth Toni Spira. In Österreich war sie weltbekannt, in Deutschland, wo ich das schreibe, wäre eine Karriere wie ihre einem Wunder gleichgekommen. Toni, wie sie im Freundeskreis hieß, war Tochter eines Kommunisten, Remigranten und Juden (auch wenn dieser seine Herkunft nicht wichtig nehmen wollte); selbst noch im Exil geboren, war sie in ihrer Jugend heftig mit der Kommunistischen Partei verbandelt. Wie ihre Biografin Stefanie Panzenböck schreibt, galt Toni Spira ihren Freunden als »Hexe, Luder, boshaft, eine Ikone«. Das Buch wurde nach ihrem Tod geschrieben, und es ist wohl ein Glück, dass die Autorin ihr Objekt nicht allzu gut gekannt hat, das hat den Vorteil, dass sie wie eine Forscherin alle erreichbaren Stimmen und Materialien zusammenträgt. Sie schlägt einen großen Bogen, beginnt bei der Ururgroßmutter und geht ausführlich auf die Vorfahren ein, wohl auch, weil der Vater, Leopold Spira, ein dickes Buch über die Familie hinterlassen hat. Der Vater, so bedeutend er für Toni, die Eurokommunisten und nicht zuletzt das Wiener Tagebuch gewesen sein mag, nimmt ein bisserl viel Platz ein. Toni hat öfter erwähnt, dass er sie »nie gelobt hat«; es hat ihren Ehrgeiz und Fleiß angestachelt.

Lange bevor von den Fernsehsendungen die Rede ist, für die Elizabeth T. Spira berühmt wurde, werden anhand dieser Familie die österreichischen Verhältnisse aus Sicht der »Anderen« erklärt: die Nachkriegszeit, der Antisemitismus, die alten und neuen Nazis und die Partei als Anker bis zum Ende des Glaubens an die Ideale der Betonkommunisten. Es ist auch ein Buch über die Etappen der sehr langsamen, unvollkommenen Demokratisierung Österreichs, geschrieben für Genießer wie Feinde der Sendungen teleobjektiv, Alltagsgeschichten und Liebesg’schichten und Heiratssachen, die immer auch Sozialreportagen waren. Die Autorin interessiert der Werdegang der Reporterin, die so frech, durchsetzungsfähig und erfolgreich war, dass sie zwar in etliche Konflikte verwickelt wurde, aber sicher sein konnte, »dass ihr nichts geschah«. Wir lesen von der Schülerin, der Studentin, der Frau des katholisch erzogenen Schauspielers Hermann Schmid und der ständig arbeitenden Mutter, die, wie das schwierige Verhältnis zur Tochter nahelegt, einiges von der typisch kommunistischen Neigung zur Zensur von Gefühlen aus ihrer Erziehung mitgenommen hat.

»Die Geschichte der Shoa lastete schwer auf Elizabeth Toni Spira. Den Kommunismus und die Indoktrinierung durch den Vater hatte sie abgeschüttelt«, resümiert Panzenböck. Zugleich prägte die eigene Fluchtgeschichte den wachen Blick auf die mentalen Spezifika der »Insel der Seligen«. Der Abstand zwischen dem Biotop, aus dem Spira kam, und der österreichischen »Normalität« war gewiss groß, allerdings gab es immer auch Unterstützer, und Gegner haben eher ihren Kampfesmut gestärkt.

Die Biografin hat viel zusammengetragen, um Antrieb und Erfolg dieser »Exotin« zu erklären. Das Buch mündet in einer Liebeserklärung, die all die Ambivalenzen dieser ungewöhnlichen, schwierigen und doch sehr österreichischen Frau einfängt: »Manchmal war sie bösartig, manchmal liebevoll, solidarisch, mütterlich. Pingelig, aber niemals kleinlich, witzig, großzügig, hilfsbereit, aber auch egozentrisch und fordernd.«

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