Mut zum Konflikt

von Lucia Steinwender

Die Klimabewegung sollte sich dahin begeben, wo sich Widersprüche der kapitalistischen Profitlogik manifestieren. Ein Gastkommentar.

Die »große Schlacht um Lützerath« (Bild-Zeitung) hat in der Klimaschutzbewegung erneut eine Debatte darüber ausgelöst, ob Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie sie in den letzten Jahren praktiziert wurden, noch ausreichend sind. Neben der entschlossenen Verteidigung Lützeraths forcierte die Initiative Ende Gelände vergangenes Jahr kollektive Sabotage. Eine andere Klimaaktivismusgruppe, die Letzte Generation, hebt sich eher durch die Häufigkeit als durch die Radikalität ihrer Aktionen ab, sie dient aber Politik und Medien als Paradebeispiel für einen vermeintlich drohenden »Klimaterrorismus«. Die Zuspitzung, auf die die Letzte Generation mit ihren Störaktionen setzt, ist zwar angemessen, allerdings ist der Konflikt zwischen Autofahrern und Klimaaktivistinnen nicht der entscheidende. Der wesentlichere Antagonismus wurde vom Protest gegen die Wiener Gaskonferenz jüngst erfolgreich politisiert: jener zwischen fossilem Kapital und den Leidtragenden von Klimakrise und Energiepreisen.

Andere Ansätze setzen auf Verbreiterung: In Österreich suchte die Klimabewegung jüngst nach Allianzen mit den streikenden Eisenbahnern, in Deutschland wuchsen lokale Netzwerke zwischen Beschäftigten im Nahverkehr, der Gewerkschaft Verdi und Fridays for Future zu einer bundesweiten Organisierung von unten heran. Diese Ausweitung der Mobilisierungsbasis, die die Klimabewegung durchaus benötigt, erhöht nicht nur den Druck auf die Mächtigen, Weichenstellungen vorzunehmen, sondern ist auch ein notwendiger Schritt, die Entscheidungsmacht selbst langfristig nach unten umzuverteilen. Der Aufbau einer breiteren Bewegung ist also nicht nur Mittel, sondern auch Zweck.

Ob Blockade, Streik oder Sabotage ist letztlich zweitrangig – entscheidend wird sein, dass der nächste Bewegungszyklus nicht von der Not zum Konsens, sondern vom Mut zum Konflikt bestimmt ist: Die Klimabewegung sollte sich stets dahin begeben, wo sich Widersprüche der kapitalistischen Profitlogik manifestieren und tatsächlich etwas auf dem Spiel steht. Das trifft auf den täglichen Frühverkehr weniger zu als auf den Bau von Auto-, Kohle- oder Gas-Infrastruktur. Klagsdrohungen gegen die Aktivistinnen von Lobau bleibt, Schwerverletzte in Lützerath und ausgiebiger Pfefferspray-Einsatz bei Gaskonferenz-Protesten deuten auf besorgniserregende Weise darauf hin, dass die Klimabewegung den Finger in die Wunde legt – und damit eine der vielversprechendsten antikapitalistischen Bewegungen bleibt.

»Der Aufbau einer breiteren Bewegung ist nicht nur Mittel, sondern auch Zweck.«
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