Antonio Gramscis oft zitierte Krisendiagnose, dass das Alte sterbe und das Neue noch nicht zur Welt kommen könne, wird oft mit der Äußerung in Verbindung gebracht, diese Zwischenzeit – das Interregnum – sei »die Zeit der Monster«. Vermutlich handelt es sich dabei nicht um Gramscis eigene Worte, sondern um eine recht freie Übersetzung, die durch einen Aufsatz von Slavoj Žižek bekannt geworden ist. Bei Gramsci selbst heißt es, dass es im Interregnum »zu den unterschiedlichsten Krankheitserscheinungen« kommt. Trotzdem ist die Bezeichnung »Monster« für viele der derzeitigen Krisenphänomene und die Kräfte, die davon in einflussreiche Positionen gespült werden, nicht unangemessen. Die »Monster« werden von tiefgreifenden Umbrüchen hervorgebracht, sind mittels der etablierten liberal-demokratischen Verfahren kaum mehr zu kontrollieren, setzen diese vielmehr gezielt außer Kraft und vertiefen die Krise, deren Ergebnis sie sind, nicht zuletzt, indem sie deren tatsächliche Ursachen leugnen.
Die Zuspitzung der sozial-ökologischen Krise überlagert und dynamisiert diese Verunsicherungen und führt zu Transformationskonflikten. In den Alltagserfahrungen manifestiert sich zunehmend die Ahnung, dass sich alles, für immer und in einem erdgeschichtlichen Ausmaß verändern wird. Damit verstärkt die ökologische Krise auch die Verlustängste und die tatsächlichen oder wahrgenommenen Erfahrungen sozialer Missachtung, die in der Krise des (neoliberalen) Kapitalismus gründen. In ihren geschlechtsspezifischen Dimensionen wirkt sie verstärkend auf die Krise der Männlichkeit ein, die aus feministischen Kämpfen resultiert.
Die autoritäre Rechte macht sich das zunutze. Sie zieht ihre Stärke gerade daraus, dass sie die von den etablierten Parteien de-thematisierten Klassenkonflikte regressiv politisiert, das Ideal weißer Männlichkeit bekräftigt und die ökologische Krise entweder leugnet oder nationalistisch und rassistisch zu bearbeiten versucht. Die verlorene männliche und weiße Dominanz lässt sich wiederherstellen, solange es nur gelingt, die immer größer werdende und sich immer wahrnehmbarer artikulierende Zahl der »Anderen« kleinzuhalten, auszugrenzen, zu bekämpfen – so lautet das Versprechen einer autoritären Stabilisierung der imperialen Lebensweise.
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