Im März 1938, ein halbes Jahr vor seinem fünften Geburtstag, wollte Óscar Roemer, der damals noch Oskar Friedrich Römer hieß, unbedingt eines von den Hakenkreuzfähnchen haben, mit denen die Kinder auf Wiens Straßen den Einmarsch der deutschen Truppen feierten. Seine Mutter Irma stellte ihn vor die Wahl: »Was ist dir lieber, eine Fahne oder eine Schifffahrt übers Meer«, ins rettende Exil (was sie aber nicht sagte). »Ich wählte das Schiff«, schreibt Roemer in seinen ungewöhnlich offenherzigen Memoiren, die er im Oktober 2015, vier Monate vor seinem Tod, in Mexiko-Stadt veröffentlicht hat. 2020 erschien das Buch in einer Neuauflage, nun liegt es auch auf Deutsch vor.
Die Reise über den Atlantik war aufregend, aber viel weniger unterhaltsam, als es sich der kleine Oskar vorgestellt hatte, denn in der ohnehin rappelvollen, von unzähligen Ratten heimgesuchten Großkajüte musste die Familie noch weiter zusammenrücken, um Platz für Passagiere aus dem Begleitschiff zu schaffen, das in schwerer See untergegangen war. Ob es tatsächlich, wie vom Autor behauptet, von deutschen Tieffliegern versenkt worden war, konnte nicht eruiert werden; in den einschlägigen Chroniken habe ich keinen Hinweis darauf gefunden.
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