Ein früher intersektionaler Film

von David Mayer

Tagebuch , Nr. 12, 5. Juni 1954


519 wörter
~3 minuten

Der im Frühjahr 1954 erschienene Film Salt of the Earth gilt als Klassiker des politischen Kinos, ist aber heute wohl nur noch jenen bekannt, die sich für dessen Geschichte, die Thematisierung von industriellen Arbeitswelten und Arbeitskämpfen oder den Neorealismus der frühen Nachkriegszeit interessieren. Der Film fiktionalisierte einen 15-monatigen Streik im Grant County New Mexico gegen die Empire Zinc Company. Grund des Arbeitskampfes war die Ungleichbehandlung der mehrheitlich hispanischen Bergarbeiter bei Bezahlung und Unterkünften. Der nach dem Ende des Streiks gedrehte Film war auf mehreren Ebenen bemerkenswert. So standen der Regisseur Herbert J. Biberman und andere Beteiligte in der McCarthy-Ära auf der Hollywood-Blacklist, es gab mehrere Versuche, den Film zu stoppen. Neben den mit professionellen Schauspielern und Schauspielerinnen besetzten Hauptrollen wirkten auch viele der am Streik Beteiligten mit. Aus heutiger Sicht am erstaunlichsten ist aber: Der Film nahm mit fast schon traumwandlerischem politischem Gespür das vorweg, was erst Jahrzehnte später unter dem Schlagwort Intersektionalität diskutiert werden sollte: Klasse und die Konfrontation mit den Kapitalinteressen erscheinen hier untrennbar verbunden sowohl mit rassialisierter Diskriminierung als auch Geschlecht. Ganz deutlich arbeitete der Film heraus, dass Bergbau strukturell ohne die Arbeit der Frauen über Tage und im Haushalt nicht funktionieren kann und Frauen eine zentrale Rolle in diesem Arbeitskonflikt spielten.

Mary Wolfard

Das Salz der Erde

Eine kräftige, fortschrittliche Kunst blüht noch immer in den USA, trotz den heftigen Angriffen des McCarthyismus auf das Kulturleben. Ein Beweis dafür ist auch der Film »Das Salz der Erde«, der jetzt in New York läuft. 
Allerdings wurde auf die Menschen, die den Film herstellten, von allem Anbeginn Jagd gemacht. Der Vorsitzende der unabhängigen Filmgesellschaft, welche diesen Film drehte, wurde vor das »Komitee zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeiten« geschleppt; [...] Rosaura Revueltas, der mexikanische Star [in der weiblichen Hauptrolle, Anm.], wurde ausgewiesen. Viele Kinos weigerten sich, den Film vorzuführen.

[...]

Die Filmerzählung stützt sich auf einen 15 Monate dauernden Streik, zu dem es 1951/52 in New Mexico gekommen war. Die Schauspieler – mit Ausnahme des mexikanischen Stars und von vier weiteren – sind die Grubenarbeiter und ihre Familien, welche in dem Film ihr eigenes Leben in einer Stadt darstellen, welche von einer Zinkgrubenkompagnie beherrscht wird. [...] Die Geschichte selbst ist einfach, die Grundthemen sind es, die den Film so interessant machen: Der Streik findet in New Mexico statt, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung mexikanischen Ursprungs und daher in jeder Beziehung benachteiligt ist. Gestreikt wird für die Gleichstellung mit den anglo-amerikanischen Arbeitern europäischer Herkunft in Bezug auf Löhne und auf Sicherheitsvorkehrungen in den Gruben. Das grundlegende Thema ist die Einheit, ersten mit den anglo-amerikanischen Arbeitern, und zweitens mit den Frauen.

[...]

[Die] sozialauthentische Geschichte [wurde] so erzählt, wie sie durch die persönlich authentischen Augen der Frau eines Streiksführers gesehen wird, der Esperanza Quintero, die von Rosaura Revueltas gespielt wurde. Ihre Stimme, ihr Kommentar ist der Faden, der die Szenen zusammenhält. Durch diese Frau erfahren wir vom Leben ihres Gatten in der Grube und seiner und damit aller Männer Schwierigkeit, die anglo-amerikanischen Arbeiter und die Frauen als Kampfgefährten anzuerkennen.
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