Jakob Ganslmeier & Ana Zibelnik: Tiktok und faschistische Körperbilder
von Christina Töpfer
»Bilder der Auseinandersetzung« 4|2024
»God created the man to be a leader, to be a fighter«, setzt die Drei-Kanal-Videoarbeit Bereitschaft (2024) von Jakob Ganslmeier und Ana Zibelnik zu den von einer Nachtbildkamera aufgezeichneten Aufnahmen eines Rudels Wölfe ein. Die Arbeit ist benannt nach einer 1939 entstandenen Skulptur von Arno Breker, dem »Michelangelo des Dritten Reichs«, das Duo erkundet darin die Reaktualisierung faschistischer Ästhetiken und Körperbilder in den sozialen Medien und insbesondere auf Tiktok.
Schon nach kurzer Zeit vervielfachen sich die Bilder, werden zu einem flackernden Raster aneinandergereihter, hochformatiger Kacheln im Handyscreen-Format, reproduzieren Ausschnitte aus auf Tiktok geteilten Body-Transformation-Videos, von Bodybuilding und im Privaten ausgetragenen, teils absurden Kraftwettbewerben, aus der Verfilmung von Bret Easton Ellis’ American Psycho, von Soldaten im Krieg, von Arno Brekers Skulptur. Auf der Audioebene geben junge Männer Einblicke in ihr Selbstverständnis, ihre Unsicherheiten und Reflexionen über das, was einen »echten Mann« ausmacht.
»Success isn’t an accident, it doesn’t happen by luck. Rather it requires that you wake up every single day and execute.« – Die seit 2023 verstärkt auf Tiktok vermittelte und in Ganslmeiers und Zibelniks Arbeit überzeichnet herausgestrichene Definition männlicher Identität ist das Konzept des disziplinierten, ausdauernden, hart trainierenden und kontinuierlich an sich und seiner Physiognomie arbeitenden Mannes. Brekers kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs entstandene Bronzeplastik Bereitschaft dient dabei als Ideal für Work-outs und Tutorials zur Definierung kantiger Gesichtszüge, um sich einen ebenso »soldatischen Körper« (Klaus Theweleit) zu erarbeiten wie der gestählte und kampfbereite Krieger oder einen ebenso entschlossenen Blick (»hunter eyes«).
Ganslmeier und Zibelnik beschäftigen sich in ihren Arbeiten immer wieder mit Social-Media-Trends. In Bereitschaft hinterfragen sie nun die Unreflektiertheit, mit der im Nationalsozialismus verankerte militaristische Ästhetiken auf Tiktok und anderen Plattformen nicht nur von der rechten Szene vereinnahmt, sondern auch von einer auf »Bro-Kultur« basierenden Mainstreamkultur idealisiert und aufgegriffen werden.
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