Metaphern der Arbeit
von Iuditha Balint
KRITIK & ZÄRTLICHKEIT #4 | Metaphern sagen viel über ihren gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Entstehungs- und Nutzungszusammenhang.
Sie verbinden verschiedene Vorstellungsbereiche in einem Wort, verdichten vermeintlich unvereinbare Sphären in einem Ausdruck und übertragen Semantiken, deren Implikationen und Strukturen aus einer Sphäre in die andere. Es entstehen neue Bedeutungen, die auch Euphemismen oder Dysphemismen enthalten können. Das alles vermögen Metaphern wie »Personalfreilassung«, »Sprachpolizei« oder »Lügenpresse« zu leisten.
Die entscheidenden Momente einer Metapher sind die, in denen sich die Motivation zu ihrer Nutzung verbirgt. Erinnert sich jemand an die Vorwerk-Werbung mit der »Familienmanagerin«? Sie zeigt, wie einfach es ist, sprachlich Grenzen zu verwischen und den Wortschatz neoliberaler Arbeitswelten auf das Privatleben zu übertragen. In einem Einstellungsgespräch beschreibt eine Hausfrau und Mutter ihre häusliche Care-Arbeit mit dem Vokabular der neueren Organisationslehre: Sie arbeite in der »Kommunikationsbranche« und im »Organisationsmanagement«, betreibe »Nachwuchsförderung«, mache »Mitarbeitermotivation«, führe also ein »kleines erfolgreiches Familienunternehmen« und sei folglich »Familienmanagerin«. Was gewitzte Werbung sein sollte, ist im Grunde die sich in einer Metapher manifestierende Frage, warum wir das Vokabular der Arbeitswelt brauchen, um unsere Privatsphäre aufzuwerten. Was ist unsere Motivation, wenn wir unser Leben mit Metaphern der Arbeitswelt legitimieren?
Metaphern sind kontextspezifisch. Sie sagen viel über ihren gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Entstehungs- und Nutzungszusammenhang. Wir erschaffen Metaphern. Sie sind das Produkt unserer Weltwahrnehmung. Arbeit prägt das Leben. Vielleicht zu sehr? Wenn sich in Joachim Zelters Roman Schule der Arbeitslosen (2006) das »Maßnahmen-Center« der Arbeitsagentur als »School of Life« ankündigt, die »Lebensschulungen« anbietet, dann konturiert sie Arbeitslosigkeit als Arbeit und die Maßnahmen zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit als Lebensverbesserungsmaßnahmen. Und wenn in Elias Hirschls Content (2024) ein stillgelegtes Bergwerk »Staublunge Nord« heißt, enthält diese doppelte Metapher so viel Kritik an der inkorporierten Arbeitswelt und dem Strukturwandel der Montanindustrie, dass wir uns das Lachen nicht verkneifen können.
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