Jens Kastner | In Ihrem Buch Zeit der Landschaft, das gerade im Passagen-Verlag erschienen ist, widmen Sie sich einer historischen Epoche, in der die Landschaft, wie Sie schreiben, zu einem »spezifischen Gegenstand des Denkens wird«. Mit dieser Studie setzen Sie Ihre Auseinandersetzung mit Fragen der Ästhetik fort, die Sie in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem der meistzitierten Autoren im Feld der Kunst und darüber hinaus hat werden lassen. Was hat die Landschaft mit der Revolution zu tun, wie es im neuen Buch heißt, »die nicht nur die Gesetze des Staates oder die Normen der Kunst betrifft, sondern die Formen der sinnlichen Erfahrung selbst«?
Jacques Rancière | Die Landschaft ist die Arbeit der Natur, das heißt, es ist das Werk einer Künstlerin, die nicht Künstlerin sein will. Das ist entscheidend für die Frage der Ästhetik und für das, was ich das ästhetische Regime der Künste nenne. Das ästhetische Regime der Künste zeichnet sich durch eine bestimmte Identität von Kunst und Nichtkunst aus. Was hat die Landschaft aber mit Gesellschaft und Politik zu tun? Nun, die Landschaft ist ein Arrangement von heterogenen Elementen in einer bestimmten Einheit. Als solche kann sie als ein Modell für Gesellschaft fungieren. In der Landschaft sind die unterschiedlichen Dinge auf nichthierarchische Weise miteinander verbunden.
In allen Modellen von Landschaft als Modell von Gesellschaft ist die dominante Idee, dass das Arrangement von heterogenen Elementen nicht durch Normen und Gesetze bestimmt wird, sondern im Gegenteil durch eine Art gegenseitiger Sympathie. Es geht um eine Gesellschaft, die nicht auf der Grundlage von Normen und der Kraft des Gesetzes fußt, sondern auf Brüderlichkeit und Freundschaft. So ist etwa die Bedeutung der Feste während der Französischen Revolution, bei denen überall Menschen zu Freundinnen und Freunden wurden, nicht zu unterschätzen.
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